Vier Jahre dauerte es, doch nun hat sich Alan Sparhawk hat den Frust von der Seele gelärmt: Nach zwei brachialen Alben mit seinem Nebenprojekt Retribution Gospel Choir kehrt er in den Kreis von Low zurück. „C’mon“ nennt sich das musikalische Ergebnis auf Albumlänge und transportiert all die Zuversicht, die zuletzt fehlte. Ein Gespräch über mentale Probleme, familiäre Zusammenhänge und über das Zurechtfinden in der eigenen Welt, ist die Konsequenz einer Umdenkphase, die geglückt zu sein scheint.
Zwischen „Drums And Guns“ – dem letzten Longplayer von Low – und „C’mon“ liegen über vier Jahre: Eine irre lange Auszeit für die kleine, feine Slowcore-Kapelle aus dem amerikanischen Duluth/Minnesota, die einst im Zweijahresrhythmus Alben veröffentlichte und sich dieses Mal aus gutem Grund mehr Zeit ließ.In der Lobby eines Berliner Hotels sitzend, präsentiert sich Alan Sparhawk äußerst aufgeräumt und freut sich über jeden Gast, der sich mit ihm über seinen Job als Frontmann bei Low unterhalten will. Ganz richtig gelesen: Job, denn nach einem mentalen Zusammenbruch im Jahre 2006 fühlt sich er sich nun genauso verpflichtet wie tatkräftig der Welt da draußen zu zeigen, dass es ihm - allen Unkenrufen zum Trotz - sehr gut ginge.
„Es war schwierig für mich die Situation aufzuarbeiten und obwohl ich die Songs auf ‚Drums And Guns’ immer noch mag, sollte es jetzt ein schöneres Album geben – eines, das meine Leidenschaft mehr in der Vordergrund rückt als irgendwelche negativen Gefühle. Mimi war damit einverstanden und tat ebenfalls ihr Bestes.“
Letztgenannte Mimi Parker ist nicht nur Sparhawks Schlagzeug trommelnde Kollegin, sondern zugleich seine Ehefrau und komplettiert damit den Familienbetrieb, der mit Steve Carrington am Bass 2008 einen Neuzugang verzeichnen konnte.
„Die Pause war nicht unbedingt beabsichtigt: Wir hatten eine Art Auftragsarbeit für eine Theateraufführung bekommen und dachten, eine Stunde Musik inklusive Tanzchoreographie kann ja nicht ewig dauern.“
Blickt er konzentriert zurück und gibt ohne Umschweife zu, sich mit dieser Einschätzung komplett vertan zu haben:
„Eigentlich sollte das Projekt Ende 2009 nur wenige Woche in Anspruch nehmen und dann gingen fast 12 Monate dafür drauf. Während ich nebenher noch mit dem Retribution Gospel Choir unterwegs war, hatte Mimi die Verantwortung übernommen und musste sich natürlich auch um unsere Kinder kümmern.“
Genau genommen um deren zwei: Töchterchen und Sohnemann gehören seit Jahren zum Familienunternehmen Low – ohne dass sie sich bislang musikalisch einbringen konnten. Allerdings bewegen sie sich auf bestem Wege dorthin, wie Sparhawk stolz berichtet:
„Sie lernen gerade diverse Instrumente und zeigen viel Enthusiasmus dabei – dass macht mich als Vater natürlich sehr glücklich, wobei ich ihnen schon rate, nicht blinklinks Daddy nachzueifern.“
Überraschendes Statement, denn eigentlich läuft doch wieder alles im grünen Bereich, oder etwa nicht?
„Ich habe nie eine Universität abgeschlossen und außer Instrumente spielen kaum etwas gelernt – manchmal stört mich das, weil oft das Gefühl in mir hochkommt etwas nachholen zu müssen. Kann man schwer erklären.“
Alles andere als schwer erklärbar ist hingegen das neue Low-Album „C’mon“, welches zwar den gewohnt melancholischen Grundton besitzt, aber durch wunderschöne Melodien und Arrangements auch eine liebliche Seite von sich zeigt: Slowcore ja, Depression nein, lautet das Motto der Songs, die ein Plädoyer fürs Weitermachen geworden sind. Vom Sound her, als auch inhaltlich.
„Das war mir wichtig: Zwei Jahre ging es mir psychisch ziemlich mies, doch irgendwann begann der Prozess, dass nicht mehr allein das Negative meinen Blick dominierte, sondern ein gewisser Optimismus ihn schärfte. Ganz aus meiner Haut kann ich allerdings nicht.“
Lacht Sparhawk und verweist auf die dunkle Seite von „C’mon“ – einem Werk, dass mehr als nur ein Album von vielen für ihn ist, denn: Es zeichnet seine Rückkehr zu Low und damit verbunden zu seiner eigenen Familie nach. Auch auf die Gefahr hin, dass es abgedroschen klingen mag, aber „aufrichtiger“ könnte das Ergebnis kaum sein.
„Freut mich, dass du das so siehst“, bedankt sich Sparhawk zum Abschluss des Gesprächs, „es ist nicht selbstverständlich, dass sich völlig fremde Menschen mit deiner Arbeit beschäftigen – auch das habe ich in den vergangenen Jahren zu schätzen gelernt.“
Wenn es so viel Spaß macht wie im Falle von Low, ist es fast schon eine Pflicht.
Aktuelles Album: C´Mon (Sub Pop / Cargo)
Foto: Sarah Kiesling