"Virgins Of Menace" ist der Titel des ausgezeichneten zweiten Albums der herrlich lärmenden Hardrock-Band The Disciplines, bei der Ken Stringfellow (The Posies, Big Star) und die früheren Mitglieder der norwegischen Pop-Vorzeigeband Briskeby ihr Faible für ausgefeiltes Songwriting und detailverliebte Produktion gegen eindringliche Energie, eine mitreißende Direktheit und viel Intuition eintauschen – vom Studio zurück in die Garage sozusagen.
Galt für Stringfellows Songs auf der letztjährigen The-Posies-Glanztat "Blood/Candy" stets der Leitsatz, auf jegliches Schubladendenken zu verzichten, bleiben The Disciplines auch auf ihrem zweiten Album ihrer selbst gewählten Schublade treu – einer Schublade, die bis zum Rand mit simpel-explosiven Ohrwurm-Krachern vollgestopft ist! Die musikalische Selbstbeschränkung ist durchaus Konzept, wenngleich ohne Zweifel Fortschritte seit dem willkommen eindimensionalen Debüt "Smoking Kills" auszumachen sind. Dass die neue Platte im Vergleich zum Erstling ein (noch) durchschlagenderes Rock-Manifest geworden ist, das aber auch hier und da mit unerwarteten Ausreißern aufwartet, hat seinen Grund: Schlagzeuger Ralla Villnes von der Prog-Metal-Band Animal Alpha, der nach der Veröffentlichung von "Smoking Kills" Claus Larsen ersetzt hat."Hardrock ist Rallas Background", erklärt Frontmann Stringfellow im Gespräch mit der Westzeit.
"Bei Claus war das anders. Claus ist ein großartiger Musiker, und ohne ihn hätte es die Band nie gegeben, aber an bestimmten Punkten in den frühen Tagen unseres gemeinsamen Musikmachens zeigte sich, dass es ihm einfach nicht gelang, loszulassen und nicht alles zu überdenken. Er wollte unbedingt, dass alles äußerst durchdacht und so gut wie möglich gemacht ist. Das wollte ich zwar auch, aber ich wusste, dass das intuitiv geschehen muss – besonders bei dieser Art von Musik. Ralla dagegen ist in der Lage, sich einfach auf die Sache zu stürzen und sich hineinzufühlen, ohne zu sehr an sich zu zweifeln."
Doch der Neuzugang auf dem Schlagzeughocker ist nicht nur musikalisch für die Band Gold wert, als ausgewiesenes Partytier mit Hang zu altbewährten Rock'n'Roll-Klischees verkörpert er bisweilen auch abseits der Bühne den Disciplines-Vibe perfekt.
"Ja, er ist der Jugendlichste von uns in allem, was er tut", lacht Stringfellow. "Ich tue ja selbst auch mein Bestes, aber ich muss am nächsten Tag wieder singen können, insofern sind mir gewisse Grenzen gesetzt. Allerdings ist Björn [Bergene, der Gitarrist] auch eine wahre Naturgewalt. Er stammt vom Land, und manchmal kommt das wirklich durch. Tagsüber ist er ein folgsamer Medizinstudent, aber nachts bisweilen ein Verrückter. Es ist schockierend! Er braucht nur zwei Drinks – und schon ist er ein völlig anderer Mensch!"
Folglich ist es an Bassist Baard Helgeland, alles zusammenzuhalten?
"Bassisten sind ja meistens bodenständige Menschen, allerdings hat auch Baard eine Transformation durchgemacht, seitdem die Band gegründet wurde. Eigentlich ist er grundsolide, aber – auch er ist Norweger! Manchmal schlägt auch er über die Stränge!"
Die in diesen Aussagen anklingende Unbekümmertheit des Quartetts ist vielleicht der große Trumpf der Band, die zwar mit viel Herzblut, aber ohne große Hintergedanken zu Werke geht.
“The Disciplines haben gewissermaßen ein vorgegebenes Verfallsdatum”, verrät Stringfellow. “Die Jungs in der Band haben alle Pläne für ein Leben nach der Musik, und ich würde vermuten, dass sie die in nicht allzu ferner Zukunft in die Tat umsetzen werden. Deshalb ist eigentlich jetzt schon klar, dass die Band nicht für die Ewigkeit gemacht ist. Für mich gewinnt sie dadurch aber an Authentizität, weil unsere einzige Motivation die ist, dass wir Spaß an der Band haben, gerne zusammen spielen. Wir versuchen erst gar nicht, aus der Band eine Karriere zu machen. Deshalb können wir gewisse Risiken eingehen und müssen nicht bei jeder Entscheidung darauf achten, ob sie finanziell sinnvoll erscheint. In dieser Hinsicht ist die Band ein Kunstprojekt!”
Aktuelles Album: Virgins Of Menace (Spark & Shine / Soulfood)
Weitere Infos: www.thedisciplines.com