Mit „Romantik“ bezeichneten die vier Berliner im Jahre 2001 ihren Gemütszustand. Seither sind vier Jahre ohne neue Geschichten vergangen; ohne Geschichten von ihm oder ihr, von Dir und mir; ohne die rührenden Kleinode, gekonnt brummelnd vom mittlerweile auch als Buchautor bekannt gewordenen Sänger Sven Regener seinen beziehungsgeplagten VerehrerInnen ins Ohr gesäuselt. Auf „Mittelpunkt der Welt“ gibt es nun wieder den gewohnt schrulligen Folkrock und eben diese Geschichten, die die Sehnsüchte und Ängsten der Hörer teilen und diese mit ihrem kleinen Chaos nicht alleine lassen.
Wie ist das Gefühl, nach längerer Zeit wieder etwas mit der Band zusammen zu machen?Richard Pappik: „Ein gutes Gefühl. Irgendwann scharrt man mit den Füßen und einer greift dann auch zum Telefon. Wir haben uns alle sehr gefreut, als es wieder losging. Das hat man auch an der Arbeit im Studio gemerkt.“
Sven Regener: „Das ging wirklich seltsam leicht von der Hand. Letztendlich muss man so eine Band wieder anknipsen. Die ist ja eine Zeit lang wie tiefgefroren. Ich war erstaunt, wie leicht die Platte und das Schreiben neuer Songs von der Hand ging. Aber es ist halt wieder eingeschaltet, das Leben ist wieder im Rock’n Roll-Modus.“
Wie funktioniert denn das Songschreiben bei euch?
Pappik: „Musikalische Ideen werden gesammelt, da gibt es eigentlich nie Engpässe. Und dann muss der Sven sich da was raussuchen, was er betexten kann, was ihn irgendwie inspiriert.“
Regener: „Also eigentlich sind die Lieder schon völlig fertig, bloß ohne Text. Dann ist noch nicht klar wie viel Strophen ein Lied hat, aber es ist fertig, auch mit B-Teilen und Bridges. Und ich singe da so ‚lala’ dazu (singt). Und irgendwann muss ich die richtigen Wörter finden, muss rausfinden, was das für eine Geschichte sein könnte.“
Wie viel Anteil am Textbild haben die Klänge der Wörter bei Dir?
Regener: „Tatsächlich drängen sich die Wörter über ihren Klang auf. Der Klang wird oft unterschätzt in Deutschland. Es wird immer auf die Wörter als Träger von Bedeutung gegangen, aber nicht als Träger von Klang und Musik. Das ist in der englischsprachigen Rockmusik anders. Die meisten Leute wissen gar nicht, worum es geht in einem Lied. Die nehmen nur den Klang wahr. Und das geht im Deutschen auch. Ich hatte auch ein Soundvorurteil gegen die deutsche Sprache. Das hat sich erst geändert, als wir mit „Der Mann vom Gericht“ vom 89er Album „Ballad From Jimmy And Johnny“ feststellten, dass unsere Art von Liedern mit dem Klang, mit diesem seltsamen Sound der deutschen Sprache, zusammenpasst.“
Gibt es für euch auch eine musikalische Entwicklung, die mit eurem Alter zu tun hat?
Regener: „Wir haben uns in den 80ern oft anhören müssen: Warum macht ihr eigentlich so traurige, so düstere und langsame Musik – damit kann man doch nichts verdienen. Und damals waren wir noch sehr jung. Es war also grundsätzlich klar, dass sich an der Musik nichts wird ändern müssen, wenn wir mal vierzig oder fünfzig sind, um in Würde alt werden zu können. Nicht, dass es nicht anstrengend wäre, wenn wir auf Tour gehen. Aber ich muss dann kein Fitnessprogramm machen. Ich muss nicht auf Traversen klettern und auf der Bühne rumjoggen. Insofern würde ich das mit dem Alter vor allem in Bezug auf die Abstände zwischen den Platten sehen. Aber man weiß nicht genau: Ist es das Alter? Oder die Tatsache, dass man schon so viele Platten gemacht hat? Am Anfang brauchst du Repertoire. Dann willst du sofort eine zweite, dritte, vierte Platte machen. Also kamen 86, 87, 88, 89 im Frühjahr jeweils die Element Of Crime Platten raus. Und vier Jahre ist für jemanden wie mich, der jetzt Mitte vierzig ist, auch nicht mehr eine so lange Zeit zwischen zwei Platten, wie vielleicht ein Jahr für jemanden, der 24 ist.“
Ist für Dich die Sehnsucht nach Liebe die einzige Hoffnung, die uns bleibt?
Regener: „Nein, aber es ist ein sehr spannendes Thema. Das ergibt sehr viele gute Geschichten, und mit diesem Liebesding werden einfach so wahnsinnig viele andere Hoffnungen verbunden. Kaum etwas anderes kann das Leben so aus der Bahn werfen und verändern. Musik ist ja sehr gefühlsbetonte Kunst – abstrakt, aber eben auch so emotional. Das passt natürlich gut zusammen. Und das Liebeslied ist einfach das Alpha und das Omega auch des Rock’n Roll. Die beiden großen Themen in der Musik sind die Liebe und Gott. Natürlich kann man über alles andere auch singen. Aber am Ende kommt man immer wieder dahin zurück.“
Was haltet ihr von der aktuellen Diskussion über die Deutsch-Quote im Radio?
Pappik: „Blödsinn!“
Regener: „Das ist so eine Moorleiche. Die kommt alle vier Jahre an die Oberfläche. Ich muss sagen: Alles schön und gut mit Frankreich, aber da gibt es von den Franzosen nichts zu lernen. Das ist wirklich übelster Kulturprotektionismus und ergibt überhaupt keinen Sinn. Und ist im Grunde genommen eine indirekte Subvention. Wenn die deutschsprachige Musik so was bräuchte, wäre sie es nicht wert. Ganz einfach. Schluss aus.“
Zum Schluss möchte ich noch auf den Buchautoren zu sprechen kommen. Gibt es irgendwelche Veränderungen im Bandgefüge, dadurch, dass Du jetzt Bestsellerautor bist?
Pappik: „Ich spreche jetzt mal für die Band: Da gibt es überhaupt keine Veränderung. Wenn Sven das Buch schreibt, kann man zwar keine Platte vorbereiten oder auf Tour gehen. Aber die Band ist ja wieder angesprungen. Das eine hat geklappt, das andere hat geklappt. Aber das berührt sich kaum. Vielleicht in der Schnittmenge des Publikums. Aber das muss man sehen.“
Regener: „Richard ist der Sänger in einer Band namens Bongogott. Er singt und spielt Gitarre. Und hat das unser Verhältnis verändert? Nein. Das sind einfach andere Welten, das ist eine andere Zeit. Ich als Bandmitglied sehe da keinen Zusammenhang. Der Autor Regener ist ein anderer, in einem anderen Modus. Das war letztes Jahr, dieses Jahr ist das nicht mehr. Der ist nicht da. Der kommt dann vielleicht übernächstes Jahr wieder.“
Weitere Infos: www.element-of-crime.de