´Leaving Not Arriving´ nannte der amerikanische Tausendsassa Paul Hiraga einst sein Debütalbum, vertonte ein Gefühl von Rastlosigkeit in perfekt inszenierten Songs, bei denen die Grenzen zwischen Alt.Country und zeitlos schöner Popmusik verschwimmen und widmete sich auch in der Folge Themen wie der Unausweichlichkeit des Wandels, der Komplexität zwischenmenschlicher Beziehungen und der Ungewissheit der Zukunft, rückte aber auch immer wieder die faszinierende Schönheit der Natur in den Fokus. Mit seinem inzwischen siebten Album, ´The Forecast´, zeigt der in Seattle heimische Sänger, Songwriter, Produzent und Multiinstrumentalist nun, wie man sich inhaltlich und klanglich treu bleiben kann, ohne nur auf der Stelle zu treten.
Für das neue Downpilot-Album gibt Paul Hiraga schon mit dem Coverartwork die Stimmung vor. Hatte er beim Vorgänger ´This Is The Sound´ vor fünf Jahren noch ein Foto für die Hülle ausgewählt, das den Stadtdschungel versinnbildlichte, vermittelt das an einem verlassenen Strand aufgenommene Coverbild von ´The Forecast´ ein Gefühl von Friedfertigkeit.„Das ist ein Foto, das ich von einem meiner Lieblingsorte an der Küste von Oregon gemacht habe“, verrät Hiraga im Westzeit-Interview. „Ich komme alle paar Jahre dorthin, um mal so richtig abzuschalten. Das Cover des letzten Albums symbolisierte Lärm und Überlastung und Verwirrung, also wollte ich mit diesem mehr Ruhe und Kontinuität zeigen."
Auf Kontinuität setzt Hiraga für ´The Forecast´ auch jenseits des Covers, denn tatsächlich haben sich seine Texte bereits in der Vergangenheit oft um genau die Themen gedreht, die viele Menschen während der Pandemie besonders beschäftigt haben. Doch bedeutet das, dass er einen Vorsprung hatte, als es darum ging, die Geschehnisse einzuordnen und zu verstehen, sowohl auf individueller wie auch auf gesamtgesellschaftlicher Ebene?
„Ich fand es sehr interessant, die Veränderungen im Alltag mitzuerleben und zu sehen, wie introspektiv das Leben plötzlich geworden ist”, erwidert er. „Ich hoffe, dass uns das alle dazu zwingt, uns tiefgreifender damit zu beschäftigen, wie und warum wir leben, und dass es unser Selbstbild in der Welt verändert. Das sind schwierige Themen, aber es ist die Wahrheit."
Doch obwohl natürlich die Pandemie auch an Hiraga nicht spurlos vorbeigegangen ist, scheint er weniger von ihren Auswirkungen betroffen gewesen zu sein als viele andere Menschen, gerade auch im kreativen Lager.
„Ich persönlich habe nicht das Gefühl, dass die Pandemie mein Leben oder meine Musik zu sehr belastet hat“, gesteht er. „Ich gehe heutzutage nicht mehr so oft aus und auch meine Alben entstehen meistens isoliert. Natürlich konnten wir keine Live-Konzerte spielen, aber ich habe an mehreren Musikprojekten per Filesharing gearbeitet, was ich nun zum ersten Mal auch bei einem Album gemacht habe. Ich schätze, ich habe endlich gelernt, kein Vor-Ort-Kontrollfreak zu sein!"
Dennoch ist Hiragas neues Werk, das er abermals im Alleingang eingespielt hat, bereits treffend als sein bisher am feinsten ausgearbeitetes, mutigstes Album beschrieben worden. Mühelos hangelt er sich durch die Dekaden und macht sich mit spielerischer Leichtigkeit den Laurel-Canyon-Folk und Baroque-Pop der 60er- und 70er-Jahre zu eigen und streift bisweilen sogar den Britpop der 90er, ohne nur ein Abziehbild seiner Vorbilder zu sein. Denn trotz alledem waren natürlich die in den letzten zwei Jahrzehnten veröffentlichten sechs Downpilot-Alben richtungsweisend für ´The Forecast´, auch wenn Hiraga durchaus geschickt darin ist, zu offensichtlichen Wiederholungen aus dem Weg zu gehen.
„Ich bemerke vertraute Muster beim Schreiben, aber es gibt immer wieder neue Instrumente und verschiedene Herangehensweisen, die für Abwechslung sorgen“, erklärt er. „Ich mag es, mir neue Orte für meine kreative Arbeit an einem Album zu suchen, und ich hatte das große Glück, mich letzten Winter um ein schönes Haus im Wald mit einem Flügel kümmern zu dürfen. Also brachte ich meine Studioausrüstung dorthin und ließ den Ort meine Arbeit beeinflussen. Zu Beginn von ´Night Shade´ hört man deshalb Frösche vor dem Haus quaken."
Nicht nur bei diesem Stück vermittelt ´The Forecast´ ein Gefühl von Gelassenheit, es ist das Album eines Künstlers, der mit sich selbst im Reinen zu sein scheint.
„Bei jedem Album denke ich, dass es mein letztes sein wird, und deshalb empfinde ich es als sehr befriedigend, dass jetzt eine neue Platte zur Veröffentlichung ansteht und meine Tour durch Deutschland im Mai auch bereits bestätigt ist, ganz besonders nach der Unsicherheit der vorangegangenen Jahre”, gesteht er. „Außerdem war ich zuletzt Bandleader bei einigen der größten Benefizkonzerte in Seattle und durfte dabei mit einigen sehr bekannten Musikern von R.E.M., Pearl Jam, The Dandy Warhols, Sleater-Kinney und mit Dave Matthews zusammenarbeiten, und auch mit einer Reihe jüngerer Künstlerinnen und Künstler, mit denen ich sonst wohl nicht in Kontakt gekommen wäre. Das ist schon etwas anderes, als mit meiner eigenen Band zu spielen, aber mir gefällt die Unterstützerrolle und ich kann auf meine jahrelange musikalische Ausbildung zurückgreifen, um vielseitig Rock, Soul, Jazz oder was auch immer zu spielen. Das ist eine nette Abwechslung, und ein wenig fühlt es sich so an, als wenn sich in meinem musikalischen Leben der Kreis schließt."
Aktuelles Album: The Forecast (Tapete Records / Indigo) VÖ 17.03.
Weitere Infos: downpilot.com Foto: Peter Hiilgendorf