Vier Jahre nach ihrem famosen Solowerk ´Night Of The Worm Moon´ zieht La-Luz-Frontfrau Shana Cleveland nun auch auf dem nicht minder faszinierenden Nachfolger ´Manzanita´ alle Register, um in kunstvoll psychedelisch umspülten Folk-Songs den unvergleichlichen Vibe ihrer Wahlheimat im Norden Kaliforniens einzufangen und die Schwangerschaft und Geburt ihres ersten Kindes nachzuzeichnen.
Musikerin, Illustratorin, Autorin – Shana Cleveland ist schon immer eine Künstlerin gewesen, die sich nicht allein auf ein Medium festlegen wollte. Trotzdem, so scheint es, hat ihr Tun mit ihrem dritten Album unter eigenem Namen mehr Gewicht als je zuvor. Fast kann man sich ein wenig einbilden, dass sich die ursprünglich aus Michigan stammende Tausendsasserin zuvor der Kunst um ihrer selbst Willen gewidmet hat, nun aber ihr kreatives Schaffen mehr und mehr bewusst als Werkzeug dafür einsetzt, den laufenden Wahnsinn der Welt in Worte und Töne zu fassen, wenngleich Cleveland selbst das etwas anders sieht:„Ich denke, es ging mir immer schon in erster Linie darum, der Welt einen Sinn zu geben und mit anderen Menschen in Kontakt zu treten“, erklärt sie im Westzeit-Interview. „Wenn du mich auf einer Party triffst, werde ich wahrscheinlich nichts Interessantes sagen. Ich brauche eine Weile, um mich wohlzufühlen, und ich war schon immer introvertiert. Aber ich liebe Menschen, und es ist beruhigend zu wissen, dass ich durch das Schaffen von Kunst Verbindungen aufbauen kann, weil Musik und Kunst so grundlegend dafür waren, wie ich die Welt sehe und wie ich mich in ihr bewege."
An Stoff für neue Lieder hat es Shana Cleveland in den letzten Jahren nicht gemangelt. Während für die meisten anderen Menschen allein schon die Pandemie mehr als genug Veränderung bedeutete, kamen für sie im ungefähr gleichen Zeitraum andere lebensverändernde Ereignisse hinzu: Im Sommer 2019 kam ihr Sohn Ozzy auf die Welt, Anfang 2022 dann wurde bei ihr Brustkrebs diagnostiziert. Dabei geholfen, all das zu verarbeiten, hat ihr nicht zuletzt die ländliche Friedfertigkeit ihres Zuhauses in Grass Valley, Kalifornien, einer 13.000-Seelen-Gemeinde im Vorgebirge der Sierra Nevada, wo weder der Weg zum Pazifik noch zum Yosemite-Nationalpark weit ist.
„Die Nähe zur Natur hat mir sehr geholfen, mit den Veränderungen in meinem persönlichen Leben und in der sich verändernden Welt im Allgemeinen umzugehen“, erklärt sie. „Als die Pandemie-Lockdowns begannen, schnallten mein Partner Will und ich Ozzy an unsere Körper und wanderten jeden Tag stundenlang um ein riesiges unbebautes Grundstück in der Nähe unseres Hauses. Das Ritual dieser langen Spaziergänge ließ den Stress und die Unsicherheit dieser Zeit überschaubar erscheinen. Als bei mir Krebs diagnostiziert wurde, waren so viele alltägliche Dinge unerträglich. Mir wurde schnell klar, dass ich nicht mehr die sozialen Meden verfolgen konnte, und ich konnte auch keine Nachrichten hören. Eine Sache, die sich aber immer gut anfühlte, war, einfach draußen zu sein, denn ich denke, dass erlaubte es mir, die Dinge auf eine andere Art und Weise zu kontextualisieren."
Die Songs auf ´Manzanita´ sind dennoch nicht in erster Linie an sie selbst gerichtet.
„Viele der Lieder sind an meinen Sohn adressiert, noch bevor er geboren war, und dann, als er ein Baby war“, verrät sie. „Zum Beispiel heißt es in ´Faces In The Firelight´ “You are just a little light, exploding on all sides” – das ist Ozzy im Mutterleib, und ´A Ghost´ ist aus seiner Perspektive geschrieben, bevor er auf der Welt war."
Musikalisch ist ´Manzanita´ derweil vollgestopft mit facettenreich ausstaffierten, aber nie überfrachteten Nummern, die, arrangiert um Clevelands Fingerpicking-Gitarenspiel, oft wunderbar organisch und echt klingen, gleichzeitig aber eine schwer in Worte zu fassende mysteriöse, unwirkliche Qualität haben und Cleveland abseits gängiger Americana-Normen auf den Spuren von David Crosby, Nick Drake oder Judee Sill zeigen: eine betörende Melange, auf die sie aber sehr bewusst abgezielt hat, ohne sich dabei in Perfektionismus zu verlieren. Am liebsten sind ihr die künstlerischen Eingebungen, die blitzartig wie aus dem Nichts kommen.
„Ich erinnere mich, mal gelesen zu haben, dass Leonard Cohen jahrelang an bestimmten Songtexten gearbeitet hat“, sagt sie. „Ich fand das interessant, weil ich seine Lieder liebe, aber das ist nichts, was ich jemals selbst tun möchte. Ich habe beim Schreiben von Songs immer einen eher surrealistischen Ansatz gewählt und versucht, mein Unterbewusstsein anzuzapfen, um zu sehen, was von selbst herauskommen möchte, und das danach ein wenig bearbeitet. Was auf diese Weise entsteht, interessiert mich einfach mehr. Wenn ich lange an einem Song arbeite, fühlt es sich für mich meistens gezwungen und weniger ehrlich an."
Aktuelles Album: Manzanita (Hardly Art / Cargo) VÖ 10.03.
Weitere Infos: shanacleveland.com Foto: Kristin Cofer