Jeder Moment besonders: Auf ´Forward, Backward, Start Again´, dem fabelhaften LP-Erstling ihres Projekts Minoa, demonstrierte die Wahlberlinerin Ina Klos letztes Jahr eindrucksvoll, wie facettenreich und hypnotisch schön Indie-Pop klingen kann, wenn man sich von allgemeinen Erwartungshaltungen befreit. Im März ist sie nun gemeinsam mit Bassist Till Schomburg und Drummer Lucian Gorski erstmals deutschlandweit auf Tournee. Grund genug für Westzeit, sich mit Ina auf ein Stück Torte in Berlin zu treffen.
In Zeiten, in denen auch in der Indiewelt immer mehr Musikerinnen und Musiker allein auf die Außenwirkung und auf mögliche Erfolgschancen schielen, ist Ina Klos eine bemerkenswerte Ausnahme. Geboren in Houston, Texas, aufgewachsen in Niedersachen und inzwischen in Berlin zu Hause, folgt die 32-jährige Musikerin auf ihrer Debüt-LP als Minoa lieber ihren eigenen Visionen und Ideen, anstatt sich von den gängigen Gesetzen des Musikgeschäfts den Weg weisen zu lassen. Dass es eine Weile gedauert hat, bis die Zeit reif war für ´Forward, Backward, Start Again´, ist da fast schon folgerichtig.„Mir ist es wichtig, dass ich komplett hinter den Songs stehe und dass sie mir etwas bedeuten, dass ich mir aber auch vorstellen kann, dass sie auch anderen etwas bedeuten“, erklärt sie. „Ich finde es gar nicht schlimm, wenn man ein paar Jahre braucht, bis eine Platte fertig ist, denn dann ist sie für einen selbst etwas Besonderes und kann vielleicht auch für andere etwas Besonderes sein."
Schon als Kind nahm Ina Klavier- und Gesangsunterricht, sie sang in der Schulband, in einer Jazz-Combo und im Chor und kann nun auch in ihren eigenen Liedern die beachtliche emotionale Qualität ihrer Stimme voll zur Geltung bringen. In Hannover begann sie ein Studium der Popularmusik, das sie allerdings vorzeitig beendete, als sie feststellte, dass zu viel akademisches Wissen nur schwerlich mit einem ungefilterten künstlerischen Ausdruck vereinbar war.
„Ich war eigentlich immer eine Niete in Musiktheorie und gut immer in Gehörbildung, weil ich sehr gerne improvisiere und eine leidenschaftliche Zuhörerin bin, es aber hasse, zu analysieren“, gesteht sie. „Das Studium war mir oft zu mathematisch, zu strukturiert. Ich mag es, Struktur zu durchbrechen – in allem, was ich mache."
Wie das klingt, wenn sie das tut, kann man auf ´Forward, Backward, Start Again´ hören, einem Album, das Ina als Mosaik ihrer Vergangenheit beschreibt. Immer wieder beweist sie eine bemerkenswerte Vielseitigkeit, wenn sie den Bogen von einem betont reflektierten Songwriting hin zu einem von viel Spontaneität und glücklichen Fügungen geprägten Produktionsprozess schlägt. Unbeirrbar sucht sie dabei nach eigenen Wegen, sich auszudrücken, und tut dies oft mit herrlich unkonventionellen Mitteln. So tauscht sie inzwischen immer öfter das Klavier gegen die Gitarre ein, ein Instrument, das sie sich nach ihrem Studium selbst und auch ohne die Hilfe von Video-Tutorials rein nach Gehör beigebracht hat.
„Ich genieße es, diese Entdeckungsreise zu machen“, sagt sie. „Das ist fast wie ein Spielplatz, auf dem ich mich austoben kann. So kommt ich immer wieder zu neuen Erkenntnissen und zu neuen Klängen, die ich vorher noch nicht kannte. Am Klavier habe ich mich irgendwann zu sicher gefühlt, und dort schreibe ich auch anders. Da ist alles immer ein bisschen pathetischer. Auf der Gitarre kann ich wütend sein, ich kann verspielt sein, ich kann lieb und böse sein."
All diese unterschiedlichen Schattierungen finden sich auch auf ihrem Album. Leichtfüßiger Indiepop, bisweilen sanft psychedelisch umspülte Folk-Melancholie und komplex-ungeschminkte Rock-Momente fließen in den acht faszinierend vielschichtigen Liedern der Platte trotz gewollter Ecken und Kanten so mühelos zusammen, dass alle Fans von Julia Jacklin, Angel Olsen oder Big Thief die Ohren spitzen sollten.
Bleibt zum Schluss noch die Frage, was genau eigentlich hinter diesen mitten aus dem Leben gegriffenen Songs steckt. Was ist Inas Anrieb für ihr künstlerisches Tun?
„Sicherlich, dass ich meine Gefühle rauslassen muss“, antwortet sie. „Das geht am besten, indem ich ein Instrument in die Hand nehme. Das setzt meine Emotionen frei. Wenn ich Herzschmerz habe oder andere große Gefühle, dann geht es mir erst einmal darum, sie für mich zu verarbeiten. Um sie dann aber vollends loszulassen, schreibe ich einen Text, und das ist dann so, als hätte ich einen Brief losgeschickt – dann sind sie weg. Wenn ich dann auf der Bühne stehe und das Lied singe, kommen sie wieder ein bisschen zurück."
Sie lacht.
„Aber nur so viel, dass ich es verkraften kann."
Aktuelles Album: Forward, Backward, Start Again (Listenrecords / Broken Silence)
Weitere Infos: www.instagram.com/minoa.on.the.moon Foto: Anna Tiessen