Feinfühlige, grüblerische Texte, ein wunderbar leichtfüßig groovender Sound und eine Stimme, die einfach außergewöhnlich ist: Auf ´It´s Different Now´ entführt uns Joy Bogat in eine facettenreiche Klangwelt, mit der die in Hannover heimische 25-jährige Afrodeutsche beeinflusst von Soul, R´n´B, Hip-Hop, Rap und Indie-Pop die Veränderungen in ihrem Leben nachzeichnet, die schon im Titel der feinen 6-Song-EP anklingen.
Düsseldorf, an einem Freitagabend Ende Juli 2021: Das Wetter mag sich an diesem Tag nicht so richtig entscheiden. Von strahlendem Sonnenschein und Temperaturen um 25 Grad bis hin zu dunklen Wolken, peitschendem Regen und fiesen Windböen reicht die Bandbreite allein während der Konzertstunden am Stadtstrand der Landeshauptstadt. Fast könnte man allerdings glauben, dass das ganz gut zur Protagonistin des Abends passt, denn auch Joy Bogat macht gewissermaßen, was sie will, wenn sie oft entspannt, aber stets gefühlsintensiv verschiedenste klangliche Versatzstücke zusammenfließen lässt und daraus Songs zaubert, die mindestens so abwechslungsreich sind wie das Wetter am Rhein´schen Strand. Verwunderlich ist das nicht, denn auch wenn Joy erst Mitte 20 ist und an diesem Abend erstmals solo außerhalb von Hannover auftritt – eine Newcomerin im eigentlichen Sinne ist sie nicht.„Musik hat für mich, seit ich ein Kind war, immer eine große Rolle gespielt“, erzählt sie einige Wochen später beim Videocall mit der Westzeit. Dabei war die Musik bisweilen nicht allein Unterhaltung und Ausdrucksform, sondern auch ein Mittel zur Identifikation, denn ein Stück weit war ihre Begeisterung gerade anfangs auch mit ihrer eigenen Biografie als Tochter eines Haitianers und einer Deutschen verknüpft, oder wie sie selbst es ausdrückt: „In bin in einer Kleinstadt in Schleswig-Holstein aufgewachsen. Da gab nicht viele Leute, die so aussahen wie ich. Bei der Musik war das anders und das hat mich auch dazu gebracht zu sagen: ´Hey, ich singe jetzt auch mal!´"
Was für Joy als Spaß im Familienkreis begann, führte schon im Teenageralter zu verschiedenen Bandprojekten in ihrer Heimat Bad Segeberg, bevor sie nach der Schulzeit am Popkurs in Hamburg teilnahm und anschließend nach Hannover ging, um dort Musik zu studieren. Dabei waren für sie gerade die letzten Jahre ein wichtiger (Selbst-)Findungsprozess, der sie in Bandprojekten wie Loba und Neotropics von deutschen zu englischen Texten und letztlich zur Verwirklichung ihrer Ideen als Solistin und nach ihrem letztjährigen Debüt ´With Time´ nun zu ´It´s Different Now´ geführt hat. Bedeutet das, Veränderung ist in Joys Augen immer etwas Positives?
„Auf jeden Fall!“, antwortet sie. „Das Jahr 2021 hat für mich vieles verändert. In allen möglichen Hinsichten sind Dinge passiert, von denen ich nie gedacht hätte, dass sie jemals passieren würden. Deshalb habe ich das Gefühl, dass ich in diesem Jahr viele Dinge in meinem Leben seziert habe und geschaut habe, was davon ich behalten möchte. Auch wenn es manchmal sehr schwierig ist, würde ich schon sagen, dass Veränderung immer etwas Gutes ist.“
Die neue EP spiegelt zwischen Emotionalität und Selbstreflektion Joys veränderte Einstellung und ihr persönliches Wachstum als Mensch und Musikerin wider, wenn sie bedachter als zuvor mit der Verbindung von Text und Klang spielt und dabei ihre Gedanken zu Achtsamkeit und Entschleunigung, weiblicher Intuition, Empowerment und Sehnsucht nach familiärer Verbindung in einer globalisierten Welt in Songs verarbeitet, die in puncto Arrangement und Produktion Brücken bauen zwischen alten Tugenden und modernen Zeiten, zwischen menschlicher Note und der Unendlichkeit digitaler Möglichkeiten. Bisweilen ist es aber trotzdem nötig, Zeitgeist, Produktionsgeschick und eher elektronisch geprägte Soundscapes einfach einmal auszublenden.
„Für das Schreiben von Musik gibt es für mich keinen schöneren Ort als das Klavier zu Hause bei meiner Mutter“, gesteht Joy. „Wenn ich mich da hinsetze, dann geht mir so richtig das Herz auf, dann bin ich ihn sofort inspiriert. Deshalb bin ich auch sehr froh, dass ich jetzt in Hannover einen Proberaum mit eigenem Klavier habe. Natürlich sitze ich auch am Rechner und produziere da, aber dabei kommen ganz andere Sachen heraus.“
Tatsächlich entstehen die meisten von Joys Songs intuitiv und ungeplant. Doch wie passt diese freigeistige Haltung eigentlich ins Bild einer studierten Musikerin, die doch eigentlich sehr genau weiß, was sie da tut?
„Egal ob am Klavier oder am Rechner – ich versuche, so wenig wie möglich meinen Kopf zu benutzen“, erwidert sie lachend. „Natürlich habe ich durch das Studium superviel an Theorie und Wissen mitgegeben bekommen, aber ich versuche, das größtenteils beiseitezuschieben. Meistens gelingt mir das auch ganz gut. Ich integriere die Dinge in meine Musik, die ich für mich gebrauchen kann, erinnere mich aber auch daran, wie ich früher Musik geschrieben habe, denn ich merke immer wieder: Die spannendsten Sachen passieren dann, wenn ich nicht nach den Regeln spiele."
Aktuelle EP: It´s Different Now (Listen Records / Broken Silence)
Weitere Infos: joybogatmusic.com Foto: Paulina Metzscher