´Thirstier´ heißt die neue, inzwischen fünfte LP von Mackenzie Scott alias Torres. Es ist ein Album geworden, das nach den grüblerischen letzten Werken überschwänglich und gewagt die wilde Seite der seit einiger Zeit in New York heimischen Indierock-Queen betont. Die Platte zeigt sie nicht nur künstlerisch von ihrer strahlendsten Seite, sondern unterstreicht auch, dass wir es hier mit einer Frau zu tun haben, die nach vielen Jahren der Selbstzweifel endlich mit sich selbst im Reinen ist und ihr Leben in vollen Zügen genießt.
Mitte März 2020 war Mackenzie Scott gerade auf Tournee durch Deutschland, als es mit der Pandemie Ernst wurde. Trotz erheblicher finanzieller Einbußen brach sie die Gastspielreise kurzerhand ab, um es gemeinsam mit ihren Mitstreitern zurück in die amerikanische Heimat zu schaffen, bevor die Grenzen endgültig dichtgemacht wurden. 15 Monate später ist von der Verzweiflung, die damals aus ihren Social-Media-Nachrichten sprach, nicht viel geblieben. Im Gegenteil, rückblickend hat sich die erzwungene Pause – bei allem nötigen Respekt vor dem Leid, das die Situation über viele Menschen gebracht hat – für Torres als echter Glücksfalls erwiesen. Kaum daheim angekommen, stürzte sich Mackenzie wieder in die Arbeit und schrieb die Lieder, die nun auf ihrem famosen neuen Album erscheinen.Schon früh im Prozess merkte sie, dass ihr Songwriting eine neue Richtung nahm.
„Um ehrlich zu sein, fühlte es sich beim Schreiben so ähnlich an wie damals, als ich anfing zu schreiben – die Lieder, die nie jemand zu hören bekommen hat“, verrät sie im Westzeit-Interview. „Ich habe einfach Songs rausgehauen, weil sich das gut anfühlte, nicht, weil ich mich mit dem Ziel hingesetzt habe, ein Lied zu verfassen. Ich habe einfach mal vier Akkorde gespielt und dann geschaut, was dabei herauskam! Alles war dieses Mal textlich und musikalisch viel ungezwungener."
Ganz geheuer war es ihr allerdings nicht, dass ihr nur wenige Monate nach der Veröffentlichung ihres letzten Albums und in einer emotional so aufwühlenden Zeit die Lieder einfach so zuflogen.
„Ich hatte zunächst das Gefühl, dass mir die Arbeit zu leicht fällt“, bestätigt sie. „Es kam mir seltsam vor, dass das so einfach war! Ich hatte Angst, dass manche Hörer die Lieder für zu simpel halten würden, dass es nicht genug Reibungsfläche gab. Dann aber dachte ich an Brian Eno und seine ´Oblique Strategies´. Dort gibt es eine Karte, auf der es heißt: ´Don´t be afraid of things because they´re easy to do.´ Genau das habe ich mir zu Herzen genommen!"
Die Lieder, die Mackenzie schrieb, sind bereits treffend als „Liebeslieder aus allen Blickwinkeln“ beschrieben worden. Doch war das Schreiben als tägliche Routine verantwortlich dafür, dass sie sich diesem einen Thema aus unterschiedlichen Perspektiven näherte, anstatt sich für jede Nummer neue Motive zu suchen?
„Oh, interessanter Gedanke“, erwidert sie. „Ich habe es nicht bewusst darauf angelegt. Die letzten zwei Jahre waren sehr aufschlussreich für mich, denn mir wurde bewusst, dass ich mit meiner Selbstverwirklichung noch nicht so weit war, wie ich das eigentlich gedacht hatte."
Sie lacht. „Ich muss mich wirklich antreiben, um zu lernen, was es heißt, eine gute Partnerin in meiner romantischen Beziehung, aber auch einfach eine gute Freundin zu sein. Ich habe das Gefühl, dass ich langsam begreife, was echte Freundschaft bedeutet, was es heißt, meinen Eltern eine gute Tochter zu sein. Es gibt so viele verschiedene Perspektiven, und letztlich behandelt das Album all die verschiedenen Beziehungen in meinem Leben."
Entstanden ist dabei eine Platte, die auch musikalisch überrascht. Während heute selbst in der Indie-Welt viele Künstler einen schnurgeraden Weg gehen, der sie zu immer glatteren und kommerzielleren Songs führt, ist Torres auf verschlungenen Pfaden unterwegs und nie kann man sich sicher sein, was Mackenzie als Nächstes aus dem Hut zaubert.
„Ich versuche, immer den Song zu schreiben, den ich gerade selbst hören will – und deshalb klangen meine Lieder über die Jahre auch so unterschiedlich“, erklärt sie lachend. „Im Moment steht mir der Sinn nach Songs, zu denen man tanzen und Spaß haben kann. Dagegen hätte ich vor fünf Jahren vielleicht gesagt, dass ich trübselig und düster sein möchte. Jetzt allerdings will ich grooven, ich will meinen Körper bewegen, ich will mich emporheben lassen, ich möchte mich heiß und verschwitzt fühlen, also habe ich einfach die passende Platte dafür gemacht."
Aktuelles Album: Thirstier (Merge / Cargo) VÖ: 30.07.
Weitere Infos: torresmusicofficial.com Foto: Shervin Lainez