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RUNNNER

Schlicht, aber mit Ambitionen

RUNNNER

Noah Weinman mag es am liebsten ungewöhnlich. Nicht nur, dass man den Namen seines von viel DIY-Spirit umwehten Indie-Folk-Projekts Runnner tatsächlich mit drei ´n´ buchstabiert, auch ´Always Repeating´, sein Mitte Juli erscheinendes Debüt für das renommierte Label Run For Cover, steckt voller geheimnisvoller Widersprüche, finden sich darauf doch seine neuesten Aufnahmen, aber seine ältesten Songs. Höchste Zeit also, sich mit dem amerikanischen Singer/Songwriter, Multiinstrumentalisten und Produzenten einmal genauer zu befassen.

Für den Plausch mit der Westzeit erwischen wie Noah Weinman daheim in den eigenen vier Wänden in Los Angeles. In der südkalifornischen Metropole ist der sympathische Tausendsassa aufgewachsen, seitdem ist er allerdings viel herumgekommen. Geschrieben wurden die Songs für sein erstes weltweit mit Labelunterstützung vertriebenes Album in Rhode Island, New York und Kalifornien, eingespielt hat er sie in Western Massachusetts und Woodstock. Da ist es kein Wunder, dass für Weinman der Begriff ´Zuhause´, der für viele Menschen in Pandemiezeiten eine ganz neue Bedeutung gewonnen hat, nicht strikt mit einem bestimmten Ort verbunden ist. „Ich bin jemand, der bei ´Zuhause´ eher an zwischenmenschliche Beziehungen denkt‘“, verrät er. „Zuhause, das sind für mich die Menschen, denen ich besonders nahestehe, meine Partnerin, meine Familie, meine Freunde. Ich habe über die Frage allerdings tatsächlich kürzlich nachgedacht, denn meine Eltern ziehen aus dem Haus aus, in dem ich aufgewachsen bin. Ich war letzte Woche dort, um mein Zimmer auszuräumen und ein paar Fotos zu machen. Anschließend sind meine Geschwister und ich zu dem Haus gefahren, in dem meine Eltern jetzt zur Miete wohnen, und ich habe sofort vergessen, dass wir nicht mehr in unserem alten Zuhause sind. Das verdeutlicht sehr schön, was ich anfangs meinte: Es geht mehr um die Menschen als um irgendeinen Ort.“



Das Gefühl der Rastlosigkeit, der Wurzellosigkeit hat auch in Weinmans Herangehensweise an seine Musik Spuren hinterlassen. Live sind Runnner inzwischen zwar eine siebenköpfige Band, die Aufnahmen dagegen verwirklicht Weinman zumeist im Alleingang und spielt Gitarre, Bass, Trompete, Banjo, Piano und Synthesizer mit seinem mobilen Set-up kurzerhand selbst ein. Traditionelle Songwriter-Tugenden vermischen sie dabei mit einem zeitgemäßen Elektronikklangteppich. „Das Ganze entstand gewissermaßen aus der Not heraus, weil ich mehr haben wollte als nur eine Akustikgitarre und Gesang, aber weder die Ressourcen noch das Know-how besaß, echte Full-Band-Musik zu machen“, erklärt Weinman seinen Sound lachend. „Ich besitze keine Orgel, also benutze ich einen kleinen Synthesizer, ich kann nicht Schlagzeug spielen, als werfe ich den Drumcomputer an. Es hat eine Weile gedauert, bis ich die verschiedenen Elemente verschmolzen hatte, denn zunächst klang es noch etwas kakophonisch, aber letztlich war das mein Weg zu dieser Synthese.“



Die Songs, die dabei entstehen, sind an anderer Stelle bereits als schlicht, aber ambitioniert beschrieben worden. Eine Beschreibung, in der sich Weinman durchaus wiederfinden kann. „Ja, ich habe hochtrabende Ideen für Arrangements, aber ich versuche sie durch den Trichter dessen, was mit kleinen Schlafzimmeraufnahmen möglich ist, umzusetzen. Meine Musik hat oft eine gewisse Weite, gleichzeitig ist sie aber auch eher flach, weil sie eben nicht hi-fi ist. Insofern passt die Aussage: Was ich mache, ist schlicht, denn es ist nicht besonders clean, sondern eher handgestrickt, trotzdem ist es auch ambitioniert, weil ich alles, was ich in meinem Kopf höre, auch umsetzen will.“ Tatsächlich nutzt Weinman seine Talente inzwischen nicht mehr für sich allein. Letzten Sommer wirbelte er als Produzent eine Menge Staub auf, als er seiner Partnerin Helen Ballentine half, ihr weltweit gefeiertes Debüt als Skullcrusher umzusetzen – auch wenn das eher zufällig passierte. „Ich hatte mir nie ausgemalt, wie es wäre, mit anderen Leuten zusammenzuarbeiten“, gesteht er. „Helen und ich waren seit etwa sieben Monaten ein Paar, bevor wir angefangen haben, gemeinsam Musik zu machen, das entwickelte sich ganz natürlich. Gleichzeitig war das Interesse an der Produktionsarbeit bei mir immer schon vorhanden, deshalb war es sehr schön, als es dann passierte, und seitdem habe ich mit einer Reihe weiterer Leute an kleinen Sachen hier und da gearbeitet. An der Produktionsarbeit gefällt mir, dass ich für einen Moment nicht im Fokus stehe und jemand anders dabei behilflich sein kann, seine Visionen umzusetzen. Ich habe lange als Gitarrist anderen Musikern unter die Arme gegriffen und das war toll, aber noch schöner ist es, jemandem dabei helfen zu können, einen Song neu entstehen zu lassen.“



Diese Aussage ist nicht zuletzt deshalb interessant, weil das neue Runnner-Album passend zum Titel ´Always Repeating´ tatsächlich aus alten Songs besteht. Fünf Songs sind Neuaufnahmen aus Weinmans selbstverlegtem 2017er-Album-Erstling ´Awash´, fünf weitere stammen aus der letztjährigen EP ´One Of One´. Zusammen mit einer weiteren EP, ´Fan On´, bilden sie das, was er selbst als „Runnner – Kapitel 1“ bezeichnet. Doch auch wenn das Album kein Konzeptwerk als solches ist, hat es doch einen textlichen Rahmen: das Gefühl, sich über das eigene Leben im Unklaren zu sein. Dabei stellt Weinman lieber Fragen als nach Antworten zu suchen und braucht keine großen Themen und clevere Wendungen, sondern setzt lieber auf den ehrlichen Ausdruck seiner Gefühle. „Früher dachte ich, ich könnte nur dann Songs schreiben, wenn ich etwas Wichtiges, etwas Neues zu sagen hätte“, erinnert er sich. „Dann allerdings stellte ich fest, dass es mir gefällt, Banalitäten und Alltägliches zu thematisieren. Ich muss nicht auf Teufel komm raus originell sein!“



Aktuelles Album: Always Repeating (Run For Cover/Cargo) VÖ 16.07.


Weitere Infos: runnner.band Foto: Helen Ballentine

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