Eigentlich war die Rastlosigkeit bislang das prägende Merkmal im Leben der britischen Songwriterin Eliza Shaddad. Die Musikerin, die dereinst von dem Kollegen Jack Patterson beim Musizieren von der Straße weg für dessen Bandprojekt Clean Bandit rekrutiert wurde, hatte immerhin schon in sieben Ländern gelebt und Philosophie und Jazz-Gesang studiert, bevor sie sich entschloss, auch als Songwriterin in eigener Sache tätig zu werden und ab 2012 bislang 4 EPs und den Longplayer „Future“ veröffentlichte.
Nachdem Eliza dann den Produzenten Ben Jackson kennen und lieben lernte, heiratete sie diesen schließlich und zog ins ländliche Cornwall, um an neuen Songs zu arbeiten. Dann hatte es sich aber erst mal mit der Rastlosigkeit, denn ausgerechnet in dieser Phase brach dann die Pandemie über uns alle herein, was dann zum allgemeinen Innehalten zwang und letztlich auch dazu führte, dass Eliza's zweites Album „The Woman You Want“ in eine andere Richtung wies, als zu jener rockigeren Gangart, die sie mit ihrer letzten EP „Sep Dec“ eingeschlagen hatte. Ist „The Woman You Want“ also gar ein klassisches Lockdown-Projekt geworden?„Ja, auf gewisse Art schon“, schmunzelt Eliza, „viele der Songs entstanden zu Beginn der Pandemie und sind definitiv auch davon beeinflusst. Die Pandemie und der Lockdown haben mir viele Möglichkeiten eröffnet, nachzudenken, zu reflektieren und Dinge über mich selbst lernen zu können. Das hat alles den Weg in meine Songs gefunden. Und dann war das ja auch so, dass wir nicht mit einer Live-Band ins Studio gehen konnten, wie ich das eigentlich vorgehabt hatte. Ich musste mir also etwas anderes überlegen, hatte aber das Glück gerade einen sehr guten Produzenten geheiratet zu haben. Also haben wir uns dazu entschieden, die Scheibe zu Hause aufzunehmen. Das hatte natürlich einen großen Einfluss darauf, wie sie nun klingt und wie wir mit dem Klang experimentieren konnten. Die neue Scheibe ist also ein Produkt der Pandemie. Das klingt jetzt, als wäre das negativ – ich denke aber, dass es sogar eine gute Sache war."
Nun klingt die Scheibe aber gar nicht wie eine „Heimarbeit“ - gab es denn ein Studio im Haus? „Nein – das war das Schlafzimmer“, gesteht Eliza, „ursprünglich wollte ich auch, dass es eine zurückhaltende, Low-Fi-Schlafzimmer-Scheibe werden sollte. Aber sobald wir Sachen Sachen wie Harmonika und Drum-Passagen einbauten, die wir von älteren Sessions übrig hatten und uns Gastbeiträge von Gitarristen und Violinisten schicken ließen, war klar, das nichts werden würde. Alle anderen Sachen haben wir aber tatsächlich im Schlafzimmer eingespielt."
Als Leitmotiv für die ganze Scheibe hat sich wahrscheinlich ja die Pandemie-Situation und das „Zurückgeworfensein“ auf sich selbst und den Partner angeboten, oder?
"Ja, aber das hatte ich natürlich so nicht geplant“, meint Eliza, „die meisten Songs sind während der Pamdemie entstanden, aber es gibt diesen einen Song - 'Now You're Alone' - der etwas älter ist und den ich unbedingt auch auf der Scheibe haben wollte. Als dann die Pandemie begann und sich solche Themen wie Black Lives Matter oder der Jahrestag der Revolution im Sudan anboten, als wir die Songs aufnahmen, wollte ich dann auch unbedingt diesen Song updaten – obwohl ich ja das Problem mit den fertigen Songs habe. Dass ich ursprünglich gar nicht an die Pandemie gedacht habe als ich ihn schrieb – er dann aber doch ganz gut zu den Umständen passte, ist eher ein Zufall."
Auch in dem Song „Blossom“ geht Eliza ja auf ihre sudanesischen Wurzeln ein – auch auf der musikalischen Ebene, indem sie eine Oud verwendet.
„Ja, den Song schrieb ich darüber, sich im vielerlei Hinsicht der Welt gegenüber zu öffnen“, erläutert Eliza, „etwa in Bezug auf persönliche Freiheiten, ehrlich gesagt auch Sexualität und vielen anderen Dingen. Als wir den Song einspielten, realisierte ich, dass vor einem Jahr Al Bashir im Sudan gestürzt wurden und ich die Idee des arabischen Frühlings auch noch mit einbinden wollte. Die Idee der neuen Möglichkeiten durch die Öffnung und Befreiung im Sudan waren sicherlich auch der Anlass, die sudanesischen Musik-Elemente mit einzubinden."
Die Musik ist dann wohl auch eine Art Therapie, oder?
„Mir hilft sie auf jeden Fall“, führt Eliza aus, „wenn ich einen Punkt erreiche, an dem ich weine, während ich einen Song schreibe, dann weiß ich, dass ich da etwas angezapft habe, das mir am Herzen liegt. Das fühlt sich dann gleichermaßen wahr und aufrichtig und emotional an. Das hilft mir und das ist auch irgendwie gesund – auch wenn die angezapftem Emotionen später vielleicht noch mal an die Oberfläche kommen können; etwa auf der Bühne. Ich verarbeite halt viel und lerne auch viel über mich, wenn ich Songs schreibe."
Auch der Zuhörer kann dann so einiges über Eliza lernen. Der Titel des neuen Albums bezieht sich beispielsweise darauf, dass es Eliza Shaddad unter den Pandemie-Bedingungen nicht immer möglich war, die Frau sein zu können, die sich andere wünschten. Darüber, ob sie denn die Frau sein kann, die sie selbst sein möchte, geben die anderen Songs von „The Woman You Want“ dann Auskunft.
Aktuelles Album: The Woman You Want (Ferryhouse / RTD) VÖ: 16.07.
Foto: Jodie Canwell