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HALF WAIF

Mit Freude zur Selbstentfaltung

HALF WAIF

Intim, unverfälscht, majestätisch – mit ´The Caretaker´, dem vierten Album ihres Projekts Half Waif, gelingt Nandi Rose Plunkett der perfekte Brückenschlag zwischen kühler elektronischer Eleganz und dunkel funkelnden Emotionen.


Bruchlos lässt die amerikanische Electro-Pop-Visionärin mit indisch-ugandischen Wurzeln auf ihrer vierten LP Beats aus der Dose und Synthesizer mit Klavier, Gitarre, Streichern, Querflöte, Klarinette und (Kontra-)Bass in einem herrlich ambitionierten Art-Pop zusammenfließen, der mit sorgfältig ausgefeilten Melodien und tiefempfundenen, kraftvoll-poetischen Texten Kopf und Herz gleichermaßen ins Visier nimmt und mit pulsierenden Breitwand-Arrangements das auf dem Vorgänger ´Lavender´ vor zwei Jahren Begonnene in höhere Sphären trägt. Dabei findet sie wie einst Patti Smith Sinn und Bedeutung in kleinen Details und macht in der Rolle des ´Caretaker´ aus persönlichen Erfahrungen und Ängsten universelle Wahrheiten.
Den Grundstein für ´The Caretaker´ legte Plunkett allein. Denn obwohl sie Half Waif im Jahre 2012 als Solprojekt ins Leben gerufen hatte, konnte sie sich in den letzten Jahren stets auf die Unterstützung ihrer Band verlassen. Auch ´Lavender´, ihr viel beachtetes 2018er-Album, war das Resultat eines spürbar kollaborativen Prozesses. Doch schon wenige Monate nach der Veröffentlichung der Platte stand Plunkett ohne Mitstreiter da.
„Eine Band ist eine echte Herausforderung", sagt sie. "In vielerlei Hinsicht gleicht sie einer romantischen Beziehung, und aus verschiedenen Gründen kamen wir an einen Punkt, an dem unsere gemeinsame Dynamik nicht mehr funktionierte. Wir hatten keine persönlichen Differenzen, denn wir sind alle Freunde, aber es war einfach Zeit für meine Mitstreiter, weiterzuziehen.“
Ihre letzte Europatournee im Herbst 2018 absolvierte Plunkett deshalb solo – und ist rückblickend sehr glücklich darüber.
„So hatte ich die Chance, die Führung des Projekts zurückzuerobern“, sagt sie freudestrahlend. „Damit bin ich praktisch zu meiner eigenen Stimme zurückgekehrt.“

Doch das war nicht die einzige Veränderung. Die neuen Lieder entstanden in Plunketts kleinem Arbeitszimmer daheim in Chatham, New York, das Songwriting wurde praktisch zu einer jobähnlichen täglichen Routine.
„Ich hatte dieses Mal viel mehr Zeit, die Songs zu schreiben“, erklärt sie. „Ich war die meiste Zeit zu Hause und saß in dem Raum, in dem ich auch jetzt gerade bin. Er ist winzig, aber ich kann die Tür hinter mir schließen, und so ist er mein ganz eigener Zufluchtsort. Einen physischen Ort zu haben, an dem ich arbeiten konnte, war ein wichtiger Faktor dabei, das Schreiben als tägliche Aktivität zu betrachten. Ohne die Ablenkung, die Zerrissenheit des Unterwegsseins, hatte ich die Chance, aus einer ganz neuen Perspektive zu schreiben. Deshalb heißt die Platte auch ´The Caretaker´, denn nachdem ich all die Songs geschrieben hatte, kam es mir so vor, als gäbe es da diese Figur, diese Erzählerin, die mir Geschichten erzählt - auch wenn ich das letztlich natürlich selbst bin.“
Auch verwandelt Plunkett tonnenschwere Emotionen klanglich mit spielerischer Leichtigkeit in ein Gefühl triumphierender Freude - und genau das ist ihr Ziel.
„Es ist nie meine Absicht, dass die Lieder depressiv klingen“, stellt sie klar. „Sie sind traurig und behandeln eine Menge düsterer Emotionen, aber indem ich mich diesen Gefühlen stelle, überwinde ich sie.“
Das unterstreicht auch der Sound der LP, denn Pop ist kein Schimpfwort für Plunkett. Auf ´The Caretaker´ fasziniert praktisch jeder Song mit einem Refrain von epischen Ausmaßen, wenngleich die Lieder nichts von der Gleichförmigkeit haben, die viele Mainstream-Produktionen heute gähnend langweilig und zudem vollkommen austauchbar macht.
„Mir gefällt es, die Eingängigkeit in eine Soundlandschaft einzuwickeln, die variantenreich und vielleicht ein bisschen mehr durch meine klassische Ausbildung bestimmt ist", sagt sie. „Ich mag die Idee, Einflüsse aus Pop, Folk und Klassik zu verschmelzen. Mit meinen Melodien und Akkordfolgen gebe ich den Menschen, was sie wollen, gleichzeitig sorge ich aber auch dafür, dass es spannend und interessant bleibt.“
In diesem Spannungsfeld zu Arbeiten, macht sie derzeit besonders glücklich.
„Das Songwriting bringt mir wahnsinnig viel Freude und ist ein ständiger Prozess der Entfaltung“, erklärt sie. „Ich hoffe, dass ich das noch lange weiterverfolgen kann.“
Aktuelles Album: The Caretaker (Anti / Indigo)

Weitere Infos: half-waif.com Foto: Brian Vu

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