Der Tag, an dem wir mit Max und Jonas von Das Lumpenpack telefonieren, ist kein normaler Montag – im Gegenteil. Es ist der erste Montag, nachdem das Land unter Quarantäne gestellt wurde und an diesem Vormittag sind auch diese beiden damit beschäftigt, sich neu zu ordnen und neuen Realitäten zu stellen. Vor allem der Tatsache, dass ihre Tour natürlich (ebenso wie die aller anderen) verschoben wurde.
Wobei die Jungs sich gar nicht mal so viel um sich selbst sorgen, aber, „da hängen so viele Sachen dran. Max und mich trifft es nicht so hart,“ erklärt Jonas, „aber wenn ich an unser Tontechniker oder Lichttechniker denke, alles Menschen die mit uns 30 Tage unterwegs sein wollten, um Geld für den Sommer zu verdienen …“Doch Max Kennel und Jonas Meyer haben nicht lange gezögert, um zu helfen. Denn noch an gleichen Abend spielten sie ihr ‚Quarantäne Konzert‘ im menschenleeren Kölner Gloria vor 24.000 Usern – und sammelten dabei über 130.000 Euro für einen guten Zweck ein, nämlich zur Unterstützung andere Kulturschaffende und eben genau diesen vielen Menschen hinter den Kulissen, die das Konzert- und Eventgeschäft erst möglich machen. Daher wird alles, was über den 10.000 Euro, die der Event selbst gekostet hat, komplett gespendet werden und diesen Menschen zugutekommen.
Im gewissen Sinne kommt ihre neue Veröffentlichung deshalb gerade zur rechten Zeit – denn wenn man die Jungs selbst erst einmal nicht mehr Live erleben kann, dann ist es umso besser, dass sie endlich ihr erstes Live-Album ´Halbzeit´ raushauen. Besser getimten Ersatz kann man sich nicht vorstellen. Nur komisch, dass ausgerechnet diese ehemaligen Poetry Slammer, die seit 2012 als Das Lumpenpack gerade für ihre Liveshows geliebt werden, sich so lange Zeit dafür nahmen.
„Wir haben uns immer gegen so ein Album gesträubt, weil wir mehr sind als die nur zwei auf der Bühne“, erklärt Jonas. „Und wir finden, dass das schwierig abbildbar ist auf der CD. Es verliert viel, wenn man es von der Livesituation wegnimmt.“
Max lacht: „Wir waren auch nie gut genug, dass man das auf CD pressen will!“
Aber sie geben zu, dass es für Außenstehende wohl völlig klar war, dass so eine Aufnahme fehlte, nur sie selbst haben sich immer wieder mehr aufs Studio gefreut und auf das Auspacken der Instrumente, „weil wir uns nach einer Tour an uns selbst live sattgehört haben.“
Da lag der Gedanke an ein Live-Album immer fern.
Deswegen bedurfte es dann auch einen besonderen Grund, damit sie ihre Meinung änderten. Und dieser kam, als sie beschlossen, eine neue Phase in ihrer Karriere einzuläuten: sie beenden ihre Zeit als reines Duo auf der Bühne nämlich dieses Jahr. So ergab es plötzlich Sinn, diesen Teil ihrer Geschichte doch noch festzuhalten, bevor sie sich als komplette Band neu erfinden werden. Außerdem betonen sie, dass sie erst jetzt auch das Team haben, um alles richtig umzusetzten, „alles hat endlich gepasst, so dass wir stolz und bereit waren.“
Dass sie sich Mannheim für diesen besonderen Abend ausgesucht haben, war natürlich auch kein Zufall, denn dort haben sich die beiden kennengelernt. Allerdings hatten sie noch keine Ahnung, wie großartig das Publikum mitspielen würde, das sich letztlich wie ein drittes, sehr vielköpfiges Bandmitglied einfügt.
„Die Leute waren massiv am feiern, und sofort von null auf hundert!“
Das Programm der Show sehen sie übrigens als absolut repräsentativ für ihre Auftritte an, „nur das wir viel konzentrierter waren“, lachen sie. Alle Fehler und Momente des Chaos die trotzdem auftauchen, geben dem Mitschnitt dann auch nur den richtigen Live-Charme.
Und wie wird das nun als Band?
„Für uns ist das gar nicht so ein krasser Bruch, es eine total lineare Entwicklung. Als wir anfingen, wurden in die Comedy-Ecke gesteckt und wir haben schnell gemerkt, dass wir da nicht hinpassen. Deshalb haben wir nur noch Konzerte mit Stehplätzen gespielt – und das passte. Wir spielen jetzt in Hallen vor 1000 oder 1500 Leuten, und wenn man dann hinten steht und vorne nur uns zwei Leute sieht ...“, lachen sie wieder. Klar, wird es eine Herausforderung mit anderen Musikern die Bühne zu teilen, aber sie geben zu bedenken, dass sie ja auch schon jetzt mit einem recht großen Team unterwegs sind, auch wenn man das auf der Bühne nicht sieht. Und soviel wird sich gar nicht ändern, denn auch weiterhin werden sie die Hits wie ´Guacamole´ spielen – nur im neuen Gewand und mit dem Unterschied, dass sie nicht mehr allein die gut 100 Minuten ihrer Auftritte durchpowern müssen. Deshalb freuen sie sich schon jetzt darauf – egal, wann es wieder losgeht.
Aktuelles Album: Halbzeit (ein Livealbum war überfällig) (Roof Records / Rough Trade)
Foto: Flora Gojanaj / Der Pakt