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LEON BRIDGES

Songs, die auch Momma gefallen

LEON BRIDGES

Leon Bridges ist die Entdeckung des Jahres, und das, obwohl sein Sound alles andere als neu ist. Mit seinem fantastischen Debütalbum ´Coming Home´ entführt uns der 25-jährige Amerikaner in eine Zeit, die mehr als 50 Jahre zurückliegt, eine Zeit, in der die ganz Großen des Soul ihre Klassiker für die Ewigkeit fabrizierten und einen Sound schufen, der heute genauso intensiv, herzergreifend und mitreißend ist wie damals.

Den Sound einer längst vergangenen Epoche möglichst authentisch abzubilden, versuchen viele, doch nur den wenigsten gelingt das so perfekt wie Bridges, der gleich zu Beginn seines Erstlings mit dem herzerweichenden Titelstück ein Händchen für auf den Punkt arrangierte und in warmem Vintage-Sound produzierte Balladen offenbart und selbst dann die ideale Balance zwischen naturbelassenen Emotionen und unwiderstehlichem Pop-Appeal findet oder am Ende der Platte den fließenden Wechsel vom Tanzflur des Nachtclubs (´Twistin´ & Groovin´) in den Gospelchor der sonntäglichen Messe (´River´) probt. Mit seinen Klamotten, Schwarz-Weiß-Promofotos und auf alt getrimmten Plattenhüllen setzt Bridges das Retro-Feeling zudem auch visuell höchst wirkungsvoll um.

Hört man ´Coming Home´, könnte man schnell auf den Gedanken kommen, dass der junge Texaner die klassische Soulmusik praktisch schon mit der Muttermilch aufgesogen hat. Das Gegenteil ist allerdings der Fall. Bis vor wenigen Jahren sagten Bridges die Namen der Großen des Genres rein gar nichts. Neben Gospels hatten es ihm stattdessen vor allem zeitgenössische R&B-Acts wie Usher oder Ginuwine angetan. Erst als ein Freund in dem Song ´Lisa Sawyer´ eine Hommage an den Sound von Sam Cooke zu erkennen glaubte, machte sich Bridges auf musikalische Spurensuche – und war sofort gefangen. Der herrlich raue Soul von vorgestern hatte alles, was ihn an guter Musik begeistert: großartiges Songwriting, gute Melodien und ein untrügliches Gespür für die richtige Phrasierung beim Gesang.

„Ich konnte nicht verstehen, warum nicht mehr afroamerikanische Jungs auch heute noch solche Musik machen“, erzählt er der Westzeit nach seinem Konzert in Köln. Fasziniert war er aber nicht nur von der Musik zu Zeiten der Segregation in den USA.

„Ich liebe das Gemeinschaftsgefühl der schwarzen Musiker dieser Zeit“, gesteht er. „Sie haben zusammengestanden und großartige Musik gemacht, weil sie inmitten der sozialen Korruption nur einander hatten.“

Bridges dagegen fing zunächst allein an, und es war ein weiter Weg von seinen schüchternen Soloauftritten bei den Open-Mic-Abenden seiner Heimatstadt bis zu seinem mit kompletter Band produzierten Majorlabeldebüt.

„Das war ein langsamer Prozess“, gibt er zu. „Weil mein Hintergrund ja R&B und Hip-Hop ist, hat es eine Weile gedauert, alles perfekt hinzubekommen – und ich lerne immer noch täglich dazu. Anfangs ist es mir vor allem schwergefallen, die richtigen Akkordfolgen zu finden und meine Stimme dem Stil anzupassen. Ich bin immer noch Anfänger auf der Gitarre, und Songs zu schreiben war zunächst ein richtiger Kampf.“

Unterstützung fand Bridges bei Austin Jenkins und Josh Block von den ebenfalls aus Texas stammenden Psychedelic-Rockern White Denim, die ihn mit den richtigen Musikern in ein altmodisches, voll analoges Studio verfrachteten, um ´Coming Home´ wie anno dazumal einzuspielen. Dass die Songs auch mit der entsprechenden Herangehensweise der Ära eingespielt wurden, trug fraglos zur ungeheuren Authentizität der Aufnahmen bei. Ziel im Studio war es, die raue Energie des Live-Zusammenspiels der Musiker im Raum einzufangen.

„Wenn wir gesagt hätten, der Saxofonist kommt am Montag und der Gitarrist fügt am Dienstag seine Parts hinzu, hätte das nicht funktioniert“, ist Bridges überzeugt. Doch das ist nicht das einzige Erfolgsgeheimnis, das sich hinter ´Coming Home´ verbirgt. „Das Wichtigste“, da ist sich Bridges sicher, „ist Songs zu schreiben, die auch deiner Momma gefallen!“

Aktuelles Album: Coming Home (Columbia/Sony)


Weitere Infos: www.leonbridges.com Foto: Rambo

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