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ATARI TEENAGE RIOT

Im Angesicht des Edward Snowden

ATARI TEENAGE RIOT

Futuristisch in die Realität. Als Atari Teenage Riot Ende der Neunziger Jahre die voranschreitende Digitalisierung mahnten, bekamen sie vielerorts den Geek-Stempel aufgedrückt und nun wiederum in allen Aussagen Recht: Der NSA-Skandal und die Person Edward Snowden gaben dem Überwachungsstaat ein Gesicht – Frontmann Alec Empire bildet sich trotzdem nichts auf die Zustimmung ein und veröffentlicht mit seiner Band das neue Album ´Reset´ als Quasi-Neustart:

Zugegeben, man selbst sah das Auftreten von Atari Teenage Riot vor knapp zwei Dekaden eher mit einem lächelnden Auge: In ihren Videos hockten Menschen vor Computern und diese sogen sie in ihrem Bann, nahmen die einzelnen Persönlichkeiten und schalteten alle Informationen gleich.

Die Musik zur Message war stets brachial, hatte Punk wie Elektro im Angebot und erreichte vor allem junge Menschen, die abseits ihrer Eltern das World Wide Web im Alleingang entdeckten und die Möglichkeiten sowie Gefahren ohne jede Kontrolle kennenlernten.

Auf die Frage hin, ob Entwicklungen wie Facebook, Twitter & Co. etwas Negatives oder komplett Positives für die Kommunikation seien, zuckt Empire vielsagend mit den Schultern und gönnt sich einen Schluck Wasser, ehe die Antwort folgt:

„Für mich gibt es an dieser Stelle kein Schwarz-weiß-Denken, um es so auszudrücken. Natürlich ist die Reichweite, die solche Medien besitzen, etwas, dass zu vielen positiven Veränderungen führen kann – andererseits darf man Social Media wie jedes andere Medium auch kritisch betrachten.“

Als Chef von Atari Teenage Riot legte sich Alec Empire noch nie auf die eine Wahrheit fest, sondern mahnte stets in den Aussagen seiner Texte an, wies auf Missstände hin und in nicht wenigen Tracks wurde die ungebremste Entwicklung der Digitalisierung deutlich angeprangert.

Als eine durch und durch politische Band sieht er sein Trio trotzdem nicht:

„Es gibt auf unseren Konzerten viele Leute, die nicht nur wegen den Aussagen vor der Bühne stehen, sondern auf die musikalische Seite achten – die wollen Spaß haben und das gefällt mir.“

So dürfte es nicht verwundern, dass sich seine Kritik am Hier & Jetzt gleichwohl gegen die eigene Kunstform ´Musik´ richtet, die durch das Format MP3 inzwischen ganz anders als vor zwanzig Jahren konsumiert werde – wie er feststellt und anhand des dagegen fast schon antik wirkenden Vinyls zu erklären versucht ist:

„Wir entscheiden uns mehr und mehr dafür, dass die Musik, die wir hören, nur noch digital existiert und lassen dadurch unsere Gewohnheiten bestimmen. Ich gehörte lange Zeit nicht zu denen, die auf Vinyl schwören, aber eine Schallplatte hat einen ganz anderen Sound als ein komprimiertes Datenformat.“

Trotzdem soll das neue Album ´Reset´ bei iTunes & Co. erhältlich sein, wie er erklärt und betont, dass sich am Aufnahmeprozess im Hause Atari Teenage Riot nicht so viel geändert habe, selbst wenn die technische Evolution der letzten Jahre es vermuten lässt. Ganz im Gegenteil:

„Wir könnten es uns viel leichter machen und alles am Computer einspielen, aber dann würde ‚Reset’ auch so klingen.“

Abseits dessen wird jedoch tatsächlich der Reset-Kopf am Atari-Computer bedient, denn innerhalb der Band ging es nie darum, in einem irgendeinem Streit Recht zu bekommen.

Das wäre falsch und rückschrittlich, wie Empire bei der Verabschiedung erklärt:

„Der NSA-Skandal hat sicher vielen die Augen geöffnet. Das ist aber nicht das einzige, was es zu beachten gilt und deswegen ist da noch genug Redebedarf.“

Themen wie Besorgnis oder Furcht vor kommenden Entwicklungen bestimmen dieses Mal die Message von Atari Teenage Riot und wer der Band einst einen Strick aus ihrem Futurismus drehte, darf sich inzwischen getäuscht sehen.

Die Realität kommt schneller als man denkt.

Aktuelles Album: Reset (Digital Hardcore / Rough Trade)



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