Auch Norweger sind manchmal für Überraschungen gut: Hatten sich Madrugada mit "Industrial Silence" und "A Midnight Disease" eine scheinbar komfortable Nische zwischen Nick Cave-Tristesse und Oasis-Riffs erspielt, weicht das neue Album, "Grit", doch stark von dieser Formel ab. Anstatt sentimentaler Balladen oder düsterer Mid-Tempo Nummern wird nun plötzlich auf´s Gaspedal getreten und gerockt, was das Zeug hält. Wie konnte es denn zu diesem Stilwechsel kommen?
"Das hängt mit meinen Wurzeln als Gitarrist zusammen", erklärt Robert, "als ich 12 Jahre alt war, hörte ich meine ersten Rock-Song: "Rock´n´Roll" von Led Zeppelin. Dieser Song – zusammen mit "Never Mind The Bollocks" von den Sex Pistols ist der Grund, warum ich begann, Gitarre zu spielen. Ich habe ja immer schon gedrängelt und wollte etwas zulegen und als wir jetzt in Berlin ins Studio gingen, habe ich Frode (Jacobsen) unseren Bassisten gefragt, der die Scheibe mit Head (PJ Harvey) zusammen produzierte: ´Frode, was denkst Du? Sollen wir es jetzt wagen?´ und er meinte ´Ja, laß uns eine schnelle. laute Scheibe machen – so „Rock´n´Roll“ wie möglich."Der neue, rauhere Sound des Albums ist auch eine Art Reaktion auf den bandinternen Streß, dem die Jungs in den Tretmühlen des Business ausgesetzt sind. Ein Drummer ging auf diese Weise verloren und auch die anderen Mitglieder hatten so ihre liebe Mühe damit. Das wird jetzt thematisiert. "Es ist schon schwierig, besonders, wenn Du in einer Beziehung bist", stimmt Robert zu, "Du bist als Musiker in deiner eigenen Welt. Und wenn Du da raus kommst, bist Du total ausgelaugt. Ich möchte dann manchmal einfach nur in den Park gehen und mich hinlegen und die Kopfhörer aufsetzen. Und wieder in der Musik verschwinden. Da ist ja auch jede menge Eskapismus in der Musik. Und das ist ein weiterer Grund, warum ich begonnen habe, Gitarre zu spielen. Es ist eine Möglichkeit der Realität zu entrinnen." Auch Sivert geht in seinen Texten auf diese Problematik ein – z.B. in dem Song "Billy Pilgrim" – eigentlich die Hauptperson aus Kurt Vonnegut´s "Slaughterhouse 5". "So wie ich Sivert kenne, geht es in dem Song eher um ihn selbst – bzw. darum, wie unsere Arbeit sich auf andere auswirkt", erläutert Robert, "das Stück ist aus der Sicht seiner Freundin geschrieben und ´Billy Pilgrim´ ist in dem Song ein pseudonym für Sivert – der Rock´n´Roller auf der Tour. Auf der neuen Scheibe schreibt er mehr über eigene Erfahrungen. Es geht um Beziehungen und die Schwierigkeiten damit, darum, sich Normen anzupassen. Nimm zum Beispiel den Opener: ´Bloodshot – Adult Commitment´ das ist ein Thema, mit dem sich jeder irgendwann einmal beschäftigen muß: Erwachsen zu werden und Verantwortung zu übernehmen. Ich denke, damit kann sich jeder identifizieren." Mit dem neuen Album, "Grit", haben Madrugada jedenfalls gezeigt, daß sie selber musikalisch erwachsen geworden sind und bereit sind, diesbezüglich Verantwortung zu übernehmen. Und das ist mehr, als man von mancher anderen Band sagen kann...