Als Madrugada von den Aufnahmen ihres neuen, selbstbetitelten Albums zurückkehrten, fielen sie in ein schwarzes Loch. Der Grund: Ihr Gitarrist Robert Buras wurde tot in seinem Osloer Appartement aufgefunden – nackt, nur mit einer Gitarre in der Hand…
„Wir fielen in eine Art Wachkoma“, erzählt ein sichtlich mitgenommener Frode Jacobsen über einen der schwersten Verluste den er je hinnehmen musste. Als Bassist und Gründungsmitglied war Madrugada seit jeher sein persönliches Epizentrum und Lebensinhalt zugleich – die beiden Kollegen, Sänger Sivert Hoyem und Robert Buras, enge Bezugspersonen. „Plötzlich kommt jemand auf dich zu und haut dir solch eine Nachricht um die Ohren, unglaublich! Alle standen unter Schock und leugneten das Ereignis erstmal.“Zehn Jahre nach dem Debüt „Industrial Silence“ sollte die neue Platte frischen Wind in das Bandgefüge bringen und gerade Robert Buras fühlte sich mit dem Ergebnis besser denn je: „Er kam nach Oslo zurück und erzählte jedem, was in New York während der Aufnahmen passiert war: Das sich eine Band im Studio versammelt hatte, die genau wusste, wo es lang geht. (überlegt) An den Sessions war er schließlich noch komplett beteiligt!“
Freilich war ein wichtiger Faktor die unprätentiöse Rückkehr zum düsteren Sad-Rock der Anfangsjahre – jedoch auch das neue Selbstverständnis der Band, wie Frode hinzufügt:
„Robert sollte sich mehr einbringen und endlich seine Scheu, was Songwriting und Singen anbelangt, ablegen. Wir sahen in ihm den zweiten Madrugada-Frontmann und hofften, dass er sich mit der neuen Rolle anfreunden kann!“
Und tatsächlich, es gab diese eine Situation, in der Robert Buras diesen Ansprüchen erstmals gerecht wurde: Am Ende der Sessions, als alle Songs standen, erhob der Gitarrist Einspruch und bat seine Kollegen ihn für eine Stunde allein im Studio zu lassen. Sein Song „Our Time Won’t Live That Long“ war sein letzter musikalischer Akt und steht als rührender Schlussakkord am Ende von „Madrugada“.
„Wir haben dieses Lied bewusst als Demoversion auf die Platte gepackt. Obwohl einige Leute meinen, er passe nicht so Recht ins Bild. Das war uns egal, denn auf dem Album geht es schließlich nur um die Band – in jedem einzelnen Song!“
Musikalisch mag man den Kritikern wohl zustimmen. Rein von der Aura und dem transportiertem Gefühl, gibt es jedoch keinen besseren Ausklang für ein Album, das auf famose Weise erklärt weswegen Madrugada vor fünf Jahren mit ihrem Megaseller „The Nightly Disease“ eine ganz große Nummer waren.
Stellt nun abschließend die Frage nach der Zukunft – oder doch nicht?
„Keine Ahnung, wir wollen uns jetzt erstmal auf die Tour konzentrieren und die geht bis Mitte August. Danach sehen wir weiter. Sivert und ich haben jedoch schon Bock mit Madrugada irgendwie weiterzumachen“, purzelt es anfänglich recht reserviert aus Frode heraus.
Im Verlaufe des Interviews wird er konkreter – erklärt, dass mit „Madrugada“ ein Kreis geschlossen worden sei und alle Stücke, die nach dem Ableben ihres Gitarristen entstanden, könnten auf dem nächsten Album ihren Platz finden. Auch neue, feste Bandmitglieder sind für die beiden Verbliebenen kein Ding der Unmöglichkeit; obwohl dies gerade „Null Thema“ sei.
„Wir fühlen uns erstmal erleichtert, dass ‚Madrugada’ genau die Scheibe geworden ist, die Robert gewollt hätte. Es ist unser Abschiedsgeschenk, er kann da oben immer mithören, wenn die Platte irgendwo läuft!“, sagt’s und schaut mit wässrigen Augen auf den blanken Fußboden. So kann ein Album gleichzeitig elektrisierend aufwühlen und bis zur Selbstverlorenheit ruhig stellen.
Die Songs sind zwar opulent mit allerlei Gitarrenwänden eingespielt, gleichzeitig aber betont leise, defensiv, zurückhaltend. Darüber schwebt diese unverwechselbar düstere Stimme von Sivert Hoyem, die das Ohr unmittelbar gefangen nimmt; zumal die Melodiebögen unendlich viel Wärme, Herzlich- und Aufrichtigkeit ausstrahlen. Eine großartige Leitung, wenn auch nicht die erste ihrer Art im Hause Madrugada!
Aktuelles Album Madrugada (Malabor Recording Company/ Rough Trade)
Vö: 16.06.