Sänger Scott Stapp ist einer jener Menschen, deren Leben etwas von einer wilden Achterbahnfahrt hat. Es changiert zwischen den eigenen Ansprüchen aus seiner streng christlichen Erziehung, massiven Glaubenszweifeln und religiöser Rückbesinnung. Zwischen den Rockklängen von Creed, Depression, Alkohol- und Prügelexzessen, dem 2005er Soloalbum ´The Great Divide´, der Wiedervereinigung von Creed 2009 und seinem erneuten Soloausflug, der in das Album ´Proof Of Life´ mündet. Zwischendrin gibt er noch seine schonungslose Lebensbeichte ´Sinner´s Creed´ als Buch zum Besten.
Innere UnruheTrotz all’ des ganzen auf und ab ist Scott Stapp an 30 Millionen verkauften Alben, an elf Nummer1-Singles beteiligt und zur erlesenen Schar der Grammy-Gewinner gehört er ebenfalls. Seine Zweifel grundsätzlicher Art und seine permanente innere Unruhe aber sind geblieben. Seine Therapie ist die Musik. Daran hat sich auch in Bezug auf die aktuelle CD ´Proof Of Life´ nichts verändert. Aus seinem persönlichen Chaos macht er einfach harte, schwergewichtige Rockstücke.
„Ich schreibe, um all’ meine Erlebnisse aufzuarbeiten, die negativen, aber auch die positiven“, erklärt Scott Stapp, „und wenn es sein muss, so schreibe ich, wie besessen, 24 Stunden am Stück.“
Sein neues Album ist praktisch die musikalische Fortsetzung seines Buchs. So finden sich auf der Platte Titel, wie ´Slow Suicide“, ´Who I Am´ oder ´Jesus Was a Rockstar´, die eindeutig Auskunft darüber geben, dass er seiner Seele erneut den Spiegel vorhält und die Texte direkt dort ablauscht. Obwohl er sich und seine Person bei den Texten so reflektierend in den Mittelpunkt stellt, ein musikalischer Diktator ist er gegenüber den Mitmusikern nicht.
„Die anderen Musiker fordere ich ganz dezidiert auf, sich selbst und ihre Ideen voll und ganz einzubringen“, fährt er fort, „das geht hin bis zu symbiotischen Beziehungen.“
Stein vom Herzen
Wie wichtig diese Platte -auch in der zeitlichen Abfolge nach dem Buch- für Scott Stapp ist, zeigt seine Aussage am Ende des Gesprächs.
„Als das Album fertig war, ist ein mir ein riesiger Stein vom Herzen gefallen. Ich habe das sagen können, was ich noch sagen musste. Ich habe damit den Kampf mit meinen Dämonen gewonnen“, stellt Scott Stapp klar, „ich bin geläutert und kann nun mit meinen Erfahrungen anderen Menschen helfen. Das geht aber nur, weil ich mit mir selbst im Einklang bin und mich erstmals nach 40 Jahren Leben als richtig glücklicher Mensch fühle.“
So präsentiert er sich auf ´Proof Of Life´ ehrlich und dringlich. Obwohl es ihm nicht immer gelingt, sich in seinen Selbstanalysen nicht zu verlieren, setzt er überzeugende klangliche Akzente. Die Basis bilden kantige und zupackende Klangwände aus Gitarren. Aber auch elektronische Rhythmen sind ihm nicht völlig fremd.
„Die creedfremden elektronischen Einsprengel sind ein Beweis dafür, dass sich mich frei in einem neuen Klangbett bewegen wollte und es auch konnte“, sagt Scott Stapp, „es ging dabei nie darum, auf Creed-Musik zu blicken oder sie gar zu zitieren. Es ging um meine ureigenen Melodien.“
Doch wer sich auf seine finstere, fauchende aber stets äußerst präsente Stimme konzentriert, der spürt, wie wichtig sein Sangesorgan für Creed war (oder ist?).
Aktuelles Album: Proof Of Life (Wind-Up Records/Vertigo/Capitol/Universal)