Algiers ist ein Stadtviertel von New Orleans, gelegen auf der gegenüberliegenden Seite des Mississippi. ´Algiers´ heißt auch das dieser Tage erscheinende sechste Studioalbum von Calexico, für dessen Aufnahmen Joey Burns, John Convertino und Co. die winterliche Kälte ihrer Heimat Arizona gegen die drückende Schwüle des berühmten Schmelztiegels in Louisiana eintauschten.
Seit rund 15 Jahren feilen Calexico nun schon an ihrem unverkennbar eigenen Sound zwischen Southwestern Country, Tex-Mex und Indierock, doch leichter fällt den Amerikanern das Songwriting heute dennoch nicht.“Das Ganze ist immer noch ein langwieriger Prozess”, gesteht uns Joey, als er Ende Juni für Pressegespräche in Berlin weilt. “Es ist nicht so, dass wir einfach ins Studio gehen und ein bisschen Musik machen können und dann ist die Platte fertig. Es ist uns wichtig, dass sich alle damit wohlfühlen, deshalb haben wir uns dieses Mal viel Zeit gelassen. Es gab Momente, in denen ich mir wünschte, dass alles schneller über die Bühne gehen würde, aber man muss sich in Geduld üben, damit sich der Prozess entfalten kann. Man kann nichts erzwingen, und ich denke, das haben wir in der Vergangenheit auch nie getan. Wir sind stets unseren Instinkten gefolgt.”
Allerdings verlassen sich Calexico natürlich nicht allein auf ihre Instinkte.
“Das, was uns nach wie vor antreibt, ist Leidenschaft und die Liebe zu dem, was wir machen”, unterstreicht Joey. “Das gilt für die Band genauso wie für Label, Bookingagent, Veranstalter und natürlich auch das Publikum.”
Unverändert blieb auch die Herangehensweise, die Songs erst im Studio zu schreiben. Neu war lediglich der Ort.
“Der Hauptgrund dafür, uns nach einem auswärtigen Studio umzusehen, war, dass wir dringend aus Tucson raus mussten, um uns ganz auf die Arbeit konzentrieren zu können”, erklärt Joey. “Auf New Orleans sind wir gemeinsam mit unserem Freund Craig Schumacher gekommen, einfach, weil es eine großartige Stadt ist, die Soul und Funk, tolles Essen und echte Persönlichkeit zu bieten hat. Dorthin zu gehen, erschien uns mit Blick auf die afro-lateinischen und mediterranen Einflüsse von Calexico einfach ein logischer Schritt. Die Gegend in und um New Orleans hat ein Ambiente, das perfekt zu dem unserer Musik passt.”
Zwar war es nie das Ziel der Band, in Louisiana eine Platte aufzunehmen, die den inspirierenden kulturellen Reichtum und die berühmte Musikhistorie von New Orleans originalgetreu abbildet, Spuren hat die Umgebung aber natürlich dennoch hinterlassen. Nachdem der Band daheim in Tucson zuletzt etwas der Wüstensand ins Getriebe gekommen war, stellten die Aufnahmen in Reichweite des Mississippi eine wohltuende Abwechslung dar, und die Ergebnisse überraschten sogar die Band selbst.
“Wir waren wirklich ein wenig erstaunt, wie schnell uns die Ideen in Algiers zuflogen”, bestätigt Joey. “Das Studio dort klingt anders als alle anderen, in denen wir je aufgenommen haben, und für uns als Musiker ist es immer aufregend, mit der Akustik des Raumes zu spielen. Die Songs klingen sehr dynamisch, zum Beispiel der donnernde Klang von ´Epic´, und auch der wunderschöne Sound von ´Para´ rührt daher.”
Kein Zweifel, "Algiers" klingt natürlich, oft auch etwas entspannter als die vorangegangenen Werke der Amerikaner. Entstanden ist die neue Platte in einer zum Tonstudio umgebauten ehemaligen Baptistenkirche, in der die Akustik nicht das einzig Eindrucksvolle war.
“Chris George und Daniel Majorie, die Tontechniker, die das Studio leiten, haben es in kompletter Eigenarbeit, also ohne gelernte Handwerker zu beschäftigen, renoviert, was ziemlich beeindruckend ist, wenn man die Größe des Baus und die zu erledigende Arbeit betrachtet", erzählt Joey. “Das Gebäude ist aber auch jetzt noch als Kirche zu erkennen, sowohl von außen als auch im Hauptaufnahmeraum innen, und es war natürlich großartig, in dieser Umgebung aufzunehmen. Anfangs war ich allerdings ein wenig eingeschüchtert. Als ich die ersten Akkorde spielte, schoss mir durch den Kopf: ´Ist das jetzt ein Gottesdienst?´”
Sagen wir mal so: Ob des ausgezeichneten Albums lässt sich göttliche Intervention zumindest nicht vollkommen ausschließen!
Aktuelles Album: Algiers (City Slang/Universal)
Weitere Infos: www.casadecalexico.com Foto: Jairo Zavala