Downtown Los Angeles: In einer schäbigen mexikanischen Billardkneipe geraten zwei Gäste in Streit. „I used to fuck people like you in prison“ zischt der eine seinem Kontrahenten zu. Einen unbeteiligten Punkrocker und Psychobilly beeindruckt dieser Fluch nachhaltig. Er heißt André Bahr. Zurück in seiner Heimat Dortmund setzt er dem unbekannten Streithahn ein Denkmal. „I Used To Fuck People Like You In Prison Records“ nennt er sein Label. 200 Plattenveröffentlichungen später feiert People Like You in diesem Jahr seinen zehnten Geburtstag.
„Aus einem kleinen Teenie ist letztlich ein richtig großer Rock’n’Roll-Bastard geworden“, sagt André sichtlich zufrieden zum Geburtstag seiner Plattenschmiede, der mit einer Jubiläumstour gefeiert wird. Heute ist der letzte Tourtag, André sitzt Backstage und beantwortet abgeklärt und professionell Fragen zur Labelgeschichte. Professionell ist auch die Umgebung. 1600 Besucher passen in Huxley’s neue Welt, so heißt der Veranstaltungsort heute Abend in Berlin. Das Interview wird in einem eigens für den Abend eingerichteten Büro geführt. Nach Rock’ n’Roll sieht’s hier nicht wirklich aus. Mitarbeiter wuseln durch die Gänge, jeder weiß, was er zu tun hat.Nur mit Sex und Drugs geht es eben nicht. Professionalität und harte Arbeit sind Teil des Erfolges von People Like You. In Zeiten, in denen immer mehr Label und Vertriebe aufgeben müssen, kann das aber nicht alles sein.
André sieht noch ein paar andere Gründe: „Ich glaube, wir verkaufen einfach ein Gesamtkonzept. Wir kümmern uns um die Bands, wir veröffentlichen nicht nur. Wir machen Promo-Arbeit, schicken die Bands auf Tour und verbinden die Bands miteinander. Ich rede immer gerne von der People Like You Family.“
Ohne Saturn hätte es das Label nie gegeben. Das stimmt natürlich nicht, und doch spielt auch der Elektronikriese eine Rolle in der People Like You Geschichte.
„Seitdem ich 16 bin mache ich irgendwas mit Musik. Ich habe in Plattenläden gearbeitet, habe Booking gemacht, habe Bands gefahren, war Einkäufer bei Saturn.“
Vor 17 Jahren hat André dann sein eigenes Ding gemacht. Oder besser: seinen eigenen Plattenladen aufgemacht. Zusammen mit seiner Frau. Unter dem Namen „Outcast Records“ verkauften die beiden Klamotten. Und Platten. Als die befreundete Rock band The Generators aus Los Angeles in Deutschland auf Tour waren, kamen sie auf die Idee, dass André doch ihr Album „Welcome To The End“ als Vinyl pressen und vertreiben lassen könnte. Andrés Stunde Null im Label-Geschäft.
Die Ausrichtung des Labels als Heimstatt für Punkrock und Psychobilly ergibt sich aus den persönlichen Vorlieben ihrer Betreiber. Neben André ist das Tobbe Falarz, den André ins Boot geholt hat, als die Arbeit allein nicht mehr zu bewältigen war. In die People Like You Familie wird man nicht hineingeboren. Man wird aufgenommen. Oder auch nicht.
„Wir entscheiden nicht anhand eines uns zugeschickten Demos, ob wir eine Band unter Vertrag nehmen. Dazu gehört mehr. Erstens muss uns die Musik gefallen. Zweitens muss die Band live richtig gut sein und alles geben. Sonst hat’s keinen Sinn. Drittens müssen wir mit den Bandmitgliedern gut auskommen.“
Fast 40 Bands gehören aktuell zur People Like You Familie. Fünf von ihnen singen ihrem Label heute Abend das Geburtstagsständchen: Born To Lose, Toxpack, The Creepshow, Demented Are Go und Broilers. Wie das mit dem Familienleben so funktioniert, beweisen hier alle. Die Bands, die Roadies, die Label-Mitarbeiter. Und André. Er ist scheinbar überall: hinter der Bühne, davor, später auch noch auf der Bühne. Geduldig erklärt er Sparky, dem Sänger der Psychobilly-Legende Demented Are Go, wann er mit seinem Auftritt dran ist, schaut Backstage nach dem Rechten, guckt sich die Opener des Abends, Born To Lose, an. Die Texaner wissen nicht, dass ihr Labelboss sie gerade beobachtet, dafür steht André viel zu weit weg, am Rand der großen Halle. Umso ehrlicher wirkt die Ansage von Sänger Chris: „We’d like to dedicate the next song to André. Thank you, André!“
Lange nach dem Konzert feiern Bands und Zuschauer längst auf der After-showparty im ‘Wild At Heart’. André steht noch in der Konzerthalle. Konzentriert beobachtet er den Abbau der Bühne und gibt ein paar letzte Anweisungen. Im hellen Licht werden die Ausmaße vom Huxley’s nochmal deutlich. Ein Teenie ist ‘People Like You Records’ weiß Gott nicht mehr. Aber ein guter Vater bringt auch einen Bastard ins Bett.