QUICKSILVER
Es war einmal eine Band, deren Frontfrau hieß Anne Rolf. Die Band hieß Wuhling und war ebenso großartig wie unverstanden. Das ist sehr lange her, schon 10 Jahre oder mehr, aber nun taucht diese Dame ganz allein wieder auf, als ALLROH. Und "Nym"(Graumann/Trost/Cargo) hinterlässt mit seinen vier sehr unterschiedlichen und zwischen Gitarrenlehrbuch, Hardrockgegniegel und ätherischer Klangkunst taumelnden Stücken einen etwas zwiespältigen Eindruck. Anders MARIANNE NOWOTTNY, die mit der ALL AMERICAN BAND ihre erste Veröffentlichung jenseits des Großen Teichs feiern kann. Die 4-track-EP gibt's bei Sad Gnome Records (Oslo/London) nur auf Vinyl und jedes Stück bekräftigt mich darin, diese Frau für eines der am meisten ignorierten Talente in der FreakFolkScene zu halten. Weniger sperrig als früher und inkl. des deutsch gesungenen "Mr. So & So". Aus einem ähnlichen Kontext heraus macht Ben Vida aka. BIRD SHOW Musik. "Untitled"(Kranky/Cargo) zählt das verwandte Instrumentarium jeweils im Songtitel auf (z.B. "Two Organs and Dumbek") und zwingt selbst Korgs, Moogs und Hammonds zu dronig-freakigen Konstrukten, deren Konsum unter Rauschmitteln auch gut kommen dürfte. Die Leedser VESSELS bedienen auf "White Fields And Open Devices"(Cuckundoo Rec./Cargo) ebenfalls diese Schnittstelle von Realität und Abgedrehtheit. Dabei ist ihre Mixtur von soundscapes und Melodien doch recht eigen(artig).Erinnert sich eigentlich noch jemand an BLURT? Das waren diese britischen Jazzpunker, die eine Seite der legendären Doppel-LP "A Factory Quartet" bespielten und deren "Live In Berlin" für die kontinentale Schwester Factory Benelux geplant war, wegen Streitereien mit Tony Wilson (RIP) dann aber auf Armageddon erschien. All diese Aufnahmen wurden für Les Temps Modernes remastert und sind trotzdem nur für die interessant, die weder die Original-LPs noch die Sammelalben von Salamander Rec. im Schrank haben. Für die dann aber richtig wichtig! Noch eine Ausgrabung kommt mit "Cold Fact"(Light In The Attic/Cargo) von einem Mexikaner namens RODRIGUEZ in die Läden. Das Psychedelic-Folk-Schätzchen erfreut sich angeblich in Südafrika und Australien eines gewissen Kult-Status' und das nicht zu unrecht.
Irgendwie zwischen "Ausgrabung" und "Nie weg gewesen" liegt ANNE CLARK, die sich auf "The Smallest Acts Of Kindness"(netMusicZone/RTD) an die bewährten Rezepte hält, also mit charakteristischem Sprechgesang Weltschmerzlyrik vermittels elektronischer (und zunehmend auch akustischer) Klangquellen vertont und dennoch innovativ sein möchte und kann. Denn Stillstand demonstriert hier die Jugend, etwa wenn FADERHEAD sein (von mir keineswegs) langerwartetes drittes Album vorstellt. "FH3"(L-Tracks Rec.) besticht mit stumpfen Elektrokram, wie er schon vor Jahren langweilte und trotzdem noch in den entsprechenden Spelunken rauf und runter läuft. Da gehen wir doch lieber weiter zum nächsten Skangsterclub aus dem es tönt "This DJ Is A Rude Boy"(Moonstomp Rec.). Denn drin spielen ALPHA BOY SCHOOL vs. LELAND P. feat. DR. RING DING und somit ist fetter Skaspaß genauso garantiert wie relaxter PartyDub.
Aber auch die zumeist unfreiwillig komische Yuppie-Dekadenz läuft weiter: Wo die Remixe des letzten Albums vom ENSEMBLE DU VERRE noch ein Mindestmaß an Charme aufbieten (und z.B. auch mal mit netten D'n'B-Patterns spielen), verbreitet das Nachfolgeprojekt ENERGIE DU VERRE auf "United Ancestors"(beide Batterie Rec.) mit "cluborientiertem" Loungejazz im Grunde doch nur gepflegte Langeweile. Auch mit sexy Loungeappeal aber wesentlich mehr subversiver Schärfe versehen ist "In Exile"(Repo Rec./Al!ve) von NOBLESSE OBLIGE, die punkige Chansons in kleinkunstkompatible Jazzkleider stecken. Und das Bonus-Video zu "Tanz Mephisto!" ist auch nicht ohne!
"Bucharest Tango"(Asphalt Tango/Indigo) erinnert ganz bewußt an die große Zeit der rumänischen Metropole, als Celan und Tzara gemeinsam lasziven Caféhauschanteusen lauschten und dazu Unmengen Absinth tranken. OANA CATALINA CHITU vermag mit ihrer kleinen Kapelle diese Stimmung sehr genau nachzuzeichnen und beschert uns so 50 sehr angenehme Minuten Tangostrangeness. Eher dem Salsa- und Merengue-kompatiblen Hüftgeschüttel schauen die Kubaner von MADERA LIMPIA hinterdrein. "La Corona"(Out/Here Rec./Indigo) verbindet HipHop mit Karibik und Sozialkritik zugleich. Weil Weltmusik ja auch mal aus Deutschland kommen kann, behandeln wir "Mond-Marie"(Westpark/Indigo) von ROLLY BRINGS & BÄND UN FRÜNDE in dieser Kategorie. Die köllschen Helden tragen die latente Anarchie des Rheinländers in "et Hätz" und auch auf der Zunge, ohne jemals in's Weinerliche oder Schmerzhafte abzugleiten. Sujet jibbet nur in Kölle! Das nur scheinbare Kontrastprogramm hierzu könnte "Aneinu!"(Wergo/Note 1) bieten, denn dort ist ein Livemitschnitt einer Yeshiva zu hören. Das ist der Abschluß des jüdischen Simchat-Torah-Fests und das wird mit ebenso viel Ekstase zelebriert wie der Karneval.
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