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FAZERDAZE

Die Magie des Wandels

FAZERDAZE

"Ich wollte, dass die neue Platte gewaltig klingt", sagt Amelia Murray über ´Soft Power´, das Mitte November nach langem, langem Warten endlich erscheinende zweite Album ihres Projekt Fazerdaze. Mit einem Augenzwinkern, aber deshalb nicht weniger passend bereits als "Schlafzimmer-Stadion-Platte" bezeichnet, rückt sie mit ihren neuen, oft betont Synth-lastigen Popsongs ein gutes Stück vom wunderbar rauen Bedroom-Sound ihres DIY-Erstlings ´Morningside´ ab, mit dessen zutiefst persönlichen und weithin nachempfindbaren Liedern sie 2017 die Indierock-Welt im Sturm erobert hatte. Dem Ritt auf der Erfolgswelle folgte aber schon bald der Sturz in ein tiefes Loch, aus dem sich die heutige 31-jährige Singer/Songwriterin und Produzentin aus Neuseeland erst nach Jahren wieder befreien konnte. Mit ´Soft Power´ zeichnet sie nun eine lange Selbstfindungsreise nach und schlägt selbstbewusst ein neues Kapitel auf.

In ihrer neuseeländischen Heimat gehört Amelia Murray mit Fazerdaze seit inzwischen mehr als zehn Jahren zu den Lichtgestalten der wahrlich an großen Namen nicht armen Musikszene des einzigartigen Inselstaates im Südpazifik, und auch der Rest der Welt hatte spätestens mit der Veröffentlichung des fabelhaften Debütalbums vor sieben langen Jahren davon Wind bekommen, mit welcher Leichtigkeit sich Amelia einen tollen Song nach dem anderen aus dem Ärmel schüttelt und dabei keine Mühe hat, die perfekte Balance zwischen Euphorie und sanfter Melancholie zu finden. Die Tourneen rund um den Globus und die große Öffentlichkeit, die ihr damals zuteilwurde, entpuppten sich aber schon bald als eine nicht mehr zu stemmende Belastung für die junge Künstlerin. Eine Weile sah es so aus, als könnte die Geschichte kein Happy End haben, doch zum Glück hat Amelia am Ende die Kurve gekriegt und kann nun auf ihrem neuen Album in Songs wie ´Bigger´ ihre Sorgen im Rückspiegel betrachten und auch in anderen Liedern der LP eine neue Achtsamkeit ihren eigenen Bedürfnissen gegenüber thematisieren.

"Ich glaube, die größte Veränderung war, dass ich irgendwann nicht mehr das Gefühl hatte, meiner Karriere hinterherzujagen und Bestätigung von außen zu brauchen", erklärte sie bereits im vergangenen Jahr einem britischen Magazin. "Ich mache mir nun viel weniger Sorgen darüber, was die Leute denken, und ich habe mehr Vertrauen in den Prozess des Schaffens und der Performance."

In den Medien wird es bisweilen so dargestellt, als habe Amelia jahrelang nichts mit Musik zu tun gehabt, aber das ist nur die halbe Wahrheit. Sicher, nach dem 2017er-Fazerdaze-Debüt gab es eine lange Veröffentlichungs- und Konzertpause, die erst mit der treffend betitelten EP "Break!" vor zwei Jahren endete, aber wirklich losgelassen hat Amelia die Musik nie.

"Das stimmt. Ich habe aufgehört, in der Öffentlichkeit Musik zu machen, aber daheim habe ich weiter an neuen Liedern gefeilt und versucht, die besten Songs zu schreiben, die ich konnte", sagt sie im WESTZEIT-Interview. "Ich habe mich dabei aber selbst wahnsinnig unter Druck gesetzt, was viele Konflikte in mir und in meinem kreativen Prozess ausgelöst hat. Der Abstand von den Tourneen hat mir zwar die Möglichkeit gegeben, mich einem ruhigeren, häuslicheren Lebensstil zu widmen, weil ich für fünf, sechs Jahre an einem Ort gelebt habe. Dennoch habe ich diese Zeit vor allem als unglaublich frustrierend empfunden, denn alles, was ich wollte, war Songs veröffentlichen und auf der Bühne stehen. Ich war aber so blockiert und mental in einem solch schlechten Zustand, dass das einfach nicht möglich war."

Es dauerte lange, bis Amelia den Grund für ihre tiefe Unzufriedenheit und ihre daraus resultierenden Probleme identifiziert hatte. Der Weg zurück wurde frei, als sie begann, in ihrem Privatleben aufzuräumen.

"Es gab einen echten Wendepunkt, und der war wirklich befreiend", erinnert sie sich. "Ich beendete eine Beziehung, in der ich nicht bemerkt hatte, wie unglücklich sie mich gemacht hat. Ich kehrte dieser Beziehung den Rücken und fand die Art von Frieden in mir selbst wieder, die ich seit Jahren nicht gespürt hatte. Ich war auch nicht mehr so pingelig, was meine Musik anging. Alles kam wieder in Schwung und ich konnte endlich die ´Break!´-EP fertigstellen. Die Schleusen öffneten sich, und ich hatte das Gefühl, dass alles in meinem Leben wieder im Fluss war. Ich war wieder glücklich, konnte Dinge zu Ende bringen und war nicht mehr so blockiert wie in den Jahren zuvor. Das war ein echter Wendepunkt, und ehrlich gesagt war ich komplett aus dem Häuschen, meinen kreativen Fluss wiederzuhaben!"

Diese Erfahrung hat auch dazu geführt, dass die zuvor vielleicht oft eher zögerliche Amelia das Potenzial von kleinen und großen Veränderungen in allen Bereichen ihres Lebens inzwischen mit ganz anderen Augen sieht.

"Die wichtigste Lektion, die ich aus all dem gelernt habe, ist, dass ich Veränderungen zulassen muss und nicht versuchen sollte, sie zu kontrollieren oder gar zu verhindern", sagt sie rückblickend über die Magie des Wandels. "Veränderungen anzunehmen, ist die wichtigste Erkenntnis, die ich durch dieses jüngste Kapitel gewonnen habe."

Diese Einsicht brachte Amelia aber nicht nur als Mensch zum Umdenken, auch auf ihr künstlerisches Tun als Fazerdaze hat sie sich hörbar niedergeschlagen. Hatte sie bei ihrem ersten Album noch eine Band im Rücken, arbeitete sie an ihren neuen Songs wie schon zu Beginn ihrer Karriere wieder ganz allein. Doch das war noch nicht alles.

"Ich denke, dass ich mich ziemlich unter Druck gesetzt habe, mich musikalisch zu verändern", gesteht sie. "´Morningside´ war eine Platte, die man als Bedroom-Album bezeichnen könnte. In gewisser Weise gilt das auch für ´Soft Power´, aber mir war es wichtig, dass die neuen Songs größer klingen und mehr Raum einnehmen. Das kommt nicht zuletzt daher, dass ich mit den Liedern von ´Morningside´ bei einigen Festivals auf größeren Bühnen aufgetreten bin und mir dabei bewusst geworden ist, dass diese kleinen Schlafzimmer-Lieder dafür nicht geeignet sind. Ich habe mich der Herausforderung gestellt, mich klanglich zu verändern, und auch, wenn ich mich zwischenzeitlich etwas zu sehr angestrengt habe, denke ich doch, dass ich am Ende meine Vision umgesetzt habe und zu einem expansiveren, filmischeren und ganz einfach breitwandigeren Sound gelangt bin. Ich denke, dass ´Soft Power´ großen Räumen viel besser gerecht wird, als das bei ´Morningside´ oder auch ´Break!´ der Fall war."

Um diese Vision von einem gradlinigen Sound zwischen Dream-Pop und Shoegaze umzusetzen, bedient sich Amelia nun immer öfter eines satten Synthesizer-Soundteppichs, mit dem sie in Songs wie ´Cherry Pie´ mit einschmeichelnden Beats und atmosphärischen Keyboardsounds den nebeligen Schleier gegen eine neue Klarheit eintauscht.

"Ich muss gestehen, dass ich mir darüber gar nicht groß Gedanken gemacht habe", sagt sie über ihre Hinwendung zu eher synthetischen Klängen. "Ich denke, das resultiert daraus, dass ich nach klanglicher Veränderung gestrebt habe. Die Gitarre ist für mich immer eine sichere, bequeme Option gewesen, bis mich der Wunsch, neue Wege zu gehen und mich zu verbessern, dazu gebracht hat, mehr Synth-Sounds auf der neuen Platte einzusetzen."

Sie muss lachen.

"Ich muss aber auch zugeben, dass die Synths sehr leicht aufzunehmen sind! Ich nutze vor allem Software-Synths, und die klingen einfach vom ersten Moment an gut! Da spielt ein bisschen meine Faulheit mit rein. Die Synths sind ruckzuck auf deinem Laptop, während du dich bei der Gitarre mit dem ganzen Gedöns herumschlagen musst und erst einmal damit beschäftigt bist, den Verstärker vernünftig zu mikrofonieren und den richtigen Sound zu finden."

Abgesehen davon halfen ihr die Synths auch, sich von der Routine zu trennen, die sich beim Schreiben mit der Gitarre über die Jahre eingeschlichen hatte. Mit neuen technischen Hilfsmitteln zu ihrer Verfügung fiel es ihr verständlicherweise leichter, sich nicht nur klanglich von ihrer eigenen Vergangenheit zu lösen, sondern auch in puncto Songwriting neue Pfade zu beschreiten.

"Es ist in der Tat so, dass meine Hände zu den gleichen Mustern und Figuren wandern, wenn ich eine Gitarre in die Hand nehme", verrät sie. "Ein Keyboard zu benutzen, fühlt sich dagegen viel unverbrauchter an, ganz abgesehen davon, dass mir die Synths auf meinem Laptop viele lustige Möglichkeiten zum Herumspielen gegeben haben. Das Tolle dabei ist: Man kann mit einem Synth ganz simple Sachen spielen, aber je nachdem, wie man an den Knöpfchen dreht, klingt alles unglaublich beeindruckend!"

Auf Amelias Weg zu einem stärker synthetisch geprägten Sound gab es natürlich auch Vorbilder. Weit musste sie dafür nicht schauen, denn fündig wurde sie bei einer der größten und einflussreichsten Bands im Nachbarland Australien.

"Als ich auf der Universität war, kam ´Lonerism´ von Tame Impala heraus, und diese Platte war so etwas wie meine Einführung in die Welt der alternativen Musik", erinnert sie sich. "Zu Uni-Zeiten hat mir die Platte wirklich viel bedeutet, und ich denke, in gewisser Weise habe ich mit ´Soft Power´ versucht, meine eigene Version von ´Lonerism´ zu machen. Es gibt auf dem Album eine Menge toller Pop-Banger, aber manchmal ist es auch ziemlich herausfordernd, weil es viel Distortion gibt und es produktionstechnisch Grenzen überstreitet. Ich erinnere mich, dass ich auch MGMT und die frühen Sachen von Lorde als Referenz genutzt habe, aber auch wenn es eine ganze Reihe Einflüsse gab, waren Tame Impala doch die größte Inspiration."

Dass sich Amelia mit Fazerdaze nun einem Sound zuwendet, der sich deutlich leichter als zuvor als Pop definieren lässt, kommt insofern überraschend, da sie offensichtliche Eingängigkeit lange gescheut hatte. Natürlich hatte auch schon ´Morningside´ echte Ohrwürmer, die Klangfarbe allerdings war dort zumeist deutlich rauer.

"Ich denke, der Erfolg von ´Lucky Girl´ [aus dem ersten Album] hat mich ein bisschen aus der Bahn geworfen", gesteht sie. "Das hat mir gezeigt, welch weite Kreise Popmusik ziehen kann, aber bei ´Soft Power´ habe ich mich dann selbst unter Druck gesetzt, weil ich versuchen wollte, einen besseren Popsong als ´Lucky Girl´ zu schreiben. Ich muss allerdings auch sagen, dass ich es mag, dass heute nicht mehr auf Popmusik heruntergeschaut wird, denn es gehört unglaublich viel handwerkliches Können dazu, eine richtig gute Pop-Nummer zu schreiben. Ich liebe Songs, die mich vom ersten bis zum letzten Ton gefangen nehmen, und ich denke, das macht mich zu einem großen Fan von Pop und Pop-Strukturen."

Dass sie mit der neuen Platte spürbar mit der Vergangenheit bricht, ist ihr zwar bewusst, aber für sie kein Problem, denn auch wenn sie Musik fürs Hier und Jetzt macht, strebt sie doch auch eine lange Karriere an, in der für Gleichförmigkeit kein Platz ist und in der jede Platte ein abgeschlossenes Kapitel sein darf.

"Bislang war jedes meiner Werke eine Art Zeitkapsel, die einen ganz bestimmten Abschnitt meines Lebens abbildet", erklärt sie. "Bisher ist es mir noch nicht gelungen, ein Werk ein Angriff zu nehmen, das mir nicht alles abverlangt. Ich würde wirklich gerne an den Punkt kommen, an dem mir das alles so leicht fällt, dass ich wie früher The Beatles zwei Platten innerhalb eines Jahres veröffentlichen kann. Ich finde, das verlangt nach einer unglaublich disziplinierten Arbeitsmoral, während ich selbst noch in der Entwicklung stecke und immer noch an meinen Arbeitsmethoden feile. In dieser Hinsicht bin ich unvollendet! Vermutlich wird es dauern, bis ich 60 bin, bis ich einen wirklich glatten Work flow entwickelt habe, aber ich glaube fest daran, dass ich meine künstlerische Arbeit auch dann noch verfolgen werde – und darüber hinaus!"

Aktuelles Album: Soft Power (Partisan Records / PIAS / Rough Trade) VÖ 15.11.


Weitere Infos: www.fazerdaze.com Foto: Frances Carter

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