interviews kunst cartoon konserven liesmich.txt filmriss dvd cruiser live reviews stripshow lottofoon

TARA NOME DOYLE

Der magnetische Pull

TARA NOME DOYLE

Dass die Wahlberliner Songwriterin Tara Nome Doyle sich mit ihrem dritten Album „Ekko“ auf zwei Figuren der griechischen Mythologie bezieht, ist nicht ungewöhnlich – denn all ihre Projekte leben von einem philosophischen Rahmen-Thema, das sie dann lyrisch und musikalisch auslotet. Das war schon bei ihrem Debüt-Album „Alchemy“ so, dass sich auf die Phasen der Naturphilosophie bezog, wie auch bei ihrem zweiten Werk „Værmin“ „Ungeziefer“, das die Reputation von Ungeziefer zum Thema hatte und der Auftragsarbeit „Hall Of Mirrors“, die sich mit dem Thema Selbstwahrnehmung auseinandersetzte.

Was hat es denn mit dem mythologischen Fundament des Albums – der Geschichte von Echo und Narziss – auf sich?

„Die beiden Charaktere sind ja Teil der selben Mythe – deswegen bin ich da in Kombination drauf gestoßen. Das fügte sich dann ein in den Findungsprozess des Album – als ich auch schon ein paar Lieder geschrieben hatte. Meine norwegische Cousine hat mit das Buch „Ekko“ der norwegischen Autorin Lena Lindgren empfohlen – deswegen verwendete ich auch diese Schreibweise im Titel. In diesem Aufsatz hat sie den Mythos von Echo und Narziss auf soziologische analysiert und Parallelen mit verschiedenen gesellschaftlichen Strömungen und Entwicklungen aufgezogen. Das fand ich auf intellektueller und persönlicher Ebene so spannend, weil die Figur Echo kulturell ja auch immer ein bisschen vergessen wird, während Narziss präsenter ist. Sie repräsentiert die andere Seite der Münze und es braucht jemand, der sich den ganzen Raum für sie nimmt und hergibt. Dass Echo eine Nymphe mit einer vielleicht komischen Stimme durch Außeneinflüsse diese Stimme immer mehr verliert bis sie am Ende gar keine Stimme mehr hat, hat sich für mich als passendes Bild angefühlt für die Phase in der sich damals war. Ich habe mich sehr verloren gefühlt und wurde ständig hinterfragt, so dass ich erst mal den weg zurück finden, zu dem was ich eigentlich will und wer ich eigentlich bin.“

Welche Rolle spielt das Unterbewusstsein beim Schreiben der Songs für Tara? Denn das hört sich ja doch immer alles konzeptionell sehr durchdacht an?

„Natürlich spielt das Unterbewusstsein bei mir schon eine Rolle“, überlegt Tara, „aber ich weiß nicht so genau, welche Rolle es spielt – weil es ja eben das Unterbewusstsein ist. Ich schreibe eigentlich immer über die Improvisation – und dann kommen schon mal Wörter oder Textzeilen zu mir. Das ist dann ja nichts, was ich konzeptionell entworfen habe. Erst wenn ich dann Textbausteine beisammen habe, komme ich von der rationalen Seite herein und überlege dann, welche Assoziationen ich dazu habe oder inwiefern das dann interessante Geschichten ergeben könnte und wofür das für mich steht. Diese Kombination aus dem Bewusstsein und dem Unterbewusstsein finde ich sehr spannend. Es passiert dann manchmal, dass ich so in einen kreativen Fluss reinkomme und etwas mache, von dem ich nachher keine Ahnung habe, wie ich das gemacht habe. Das ist dann auch ein schönes Geschenk: Da habe ich also dieses Lied geschrieben – aber eigentlich habe ich es ja gar nicht geschrieben, sondern es wurde für mich geschrieben. Das ist dann auch eine spirituelle Erfahrung für mich.“

Was ist Tara beim Musizieren das Wichtigste? Was ist der Anker, um den sich alles dreht? Was hat Tara dazu gebracht, sich am Ende dann doch für die Musik zu entscheiden?

„Ich glaube, es ist für mich selbst das Schreiben von Liedern. Ich bin im Herzen zwar auch eine Sängerin, aber ich glaube ich würde Musik nicht beruflich machen, wenn es nicht um das Songwriting ginge. Das fasziniert mich doch sehr. Ich muss vorsichtig sein – aber ich bilde mir dann ein, auf einem Weg zu sein, auf dem bestimmte Dinge einfach passieren sollen. So dumm es klingen mag, sehe ich es dann auch als meine Berufung an, Musik zu machen. Irgendwie will ich mich dem gegenüber auch nicht verwehren – beziehungsweise merke ich dann auch, dass es nicht funktioniert, wenn ich versuche mich dagegen zu wehren. Es gibt da einen magnetischen Pull, der mich dann doch zur Musik bringt und den ich mir nicht so ganz erklären kann. Ich weiß auch nicht, ob das immer so bleiben wird, aber bisher ist es so, dass es einfach so sein soll – und dann gehe ich da mit.“

Tara nahm das Album ja mit Unterstützung des Komponisten und Produzenten Simon Goff auf. Wie entwickelte sich diese Zusammenarbeit?

„Wir haben uns schon 2020 getroffen, als ich in einer kosovarischen Allstar-Band namens Andrra kosovarische Backing-Vokals für die Sängerin Fatima Kosumi eingesungen habe – und Simon war eben (neben Larry Mullins und Earl Harvin und Federico Albanese) ein Mitglied in dieser Band. Wir haben dann ein paar Auftritte gemacht und da habe ich dann Simon gefragt, ob er aufgrund seiner internationalen Kontakte eine Idee für die Produktion meines zweiten Albums hätte und dann meinte er, dass er das eigentlich sogar sehr gerne selbst machen würde. So hat das angefangen und war dann auch bei diesem Album wieder so, obwohl ich da dann auch einen Großteil selber produziert habe.“

Woher kommt eigentlich die „liturgische Grundstimmung“, die insbesondere bei jenen Stücken, wo Tara nonverbal mit der Stimme arbeitet (wie z.B. bei dem ansonsten instrumental ausgeführten Titelstück „Ekko“)?

„Das habe ich nicht bewusst gedacht, aber auch da ist der Einfluss der Musik, mit der ich aufgewachsen bin zu spüren“, berichtet Tara, „meine Mutter ist Protestantin und wir sind auch protestantisch erzogen worden. Wir waren auch oft in der Kirche und norwegische Kirchenlieder waren Begleiter bei meinem Aufwachsen. Ich selber bin nicht gläubig, aber ich bin doch sehr fasziniert von der Macht und der Größe, die das Christentum und viele andere Religionen erschaffen konnten. Etwa durch Kathedralen und durch Lieder mit bestimmten Harmonien. Gerade weil ich Musik auch mit der Spiritualität verbinde, glaube ich auch, wenn da Überschneidungen von Klängen und Herangehensweisen auf der musikalischen Seite gibt, dann gehe ich da auch gerne mit.“

Wie finden sie beiden Elemente Inhalt und Musik zusammen?

„Ich schreibe immer mit einem Haupt-Instrument“, führt Tara aus, „es ist aber nicht so, dass ich dabei schon ein Arrangement ausarbeite. Dieses Hauptinstrument bestimmt dann schon 80% des musikalischen Inhaltes und der Melodie. Das gilt sowohl für das Improvisieren und dem, was ich aufschreibe. Das kommt alles aus demselben Fluss."

Das ist ein schönes Stichwort, denn insbesondere die neuen Songs klingen alle sehr „fließend“. Ist das dann auch der Grund dafür, dass Tara's Songs unkonventionell und betont offen strukturiert sind – beispielsweise ohne die strikte Trennung von Strophe und Refrain?

„Das ist immer ein bisschen unterschiedlich“, meint Tara, „bei den Songs, die ich ein bisschen rationaler schreibe, da würde ich schon sagen, dass ich schon in Strukturen denke und das auch im Kopf habe und mit Bausteinen arbeite. Aber dann gibt es auch wieder solche Songs, die wirklich im Fluss sind wo keine große Logik dahinter steckt.“

Was hat Tara Nome Doyle bei diesem Projekt dann am meisten Spaß gemacht und was war am schwierigsten?

„Am meisten Spaß hat mir gemacht die Momente zu genießen, in denen ich dann trotz meiner Schreibblockade, die sehr schlimm war, schreiben konnte. Und das andere was viel Spaß gemacht hatte – und was ich gar nicht erwartet hatte – war der Produktionsprozess und mir zu erlauben und mich zu trauen, da in die Detailarbeit einzusteigen – weil ich ja keine klassische Ausbildung habe und zuvor sehr eingeschüchtert von diesem Prozess gewesen war. Das Schlimmste war einfach, wie es mir ging – weil ich über ein Jahr lang überhaupt nicht wusste, was mit mir los ist. Das war dann also ein sehr unangenehmer Ursprung, den das Album hatte. Ich war in diesem Zustand eigentlich sogar bis ich die Produktion abgeschlossen hatte und wusste nicht so recht, ob das alles so sein sollte und ob es überhaupt etwas ist. Erst beim Abmischung stellte ich dann fest, dass es mir eigentlich doch sehr gut gefällt – und seither gefällt es mir sehr gut.“

Aktuelles Album: „Ekko“ (Fat Cat Records)


Weitere Infos: https://taranomedoyle.com/ Foto: Sonja Stadelmaier

Auch von Interesse
› Interview › TARA NOME DOYLE - Das liebe Ungeziefer (2022-02-01) ‹‹
› Tonträger › Singer/Songwriter › TARA NOME DOYLE - Ekko (2025-04-01) ‹‹
› Tonträger › Singer/Songwriter › B O D I E S - B O D I E S (2024-12-01) ‹‹
› Tonträger › Singer/Songwriter › TARA NOME DOYLE - Vaermin (2022-02-01) ‹‹


April 2025
ANNIE BLOCH
BRIA SALMENA
CLAIRE DAYS
GIRLPUPPY
MASHA QRELLA
MOMMA
TARA NOME DOYLE
‹‹März