Sein letztes Album ´Putzlicht´ war das Werk einer geschundenen Seele, nun glänzt Niels Frevert auf ´Pseudopoesie´, seinem inzwischen siebten Album als Solist, als großer Songwriter des deutschsprachigen Pop. Mit der neuen LP streckt der 55-jährige Musiker aus Hamburg die Hand nach genau dem Publikum aus, das er schon seit vielen Jahren verdient hat, und das macht sich bei seinem Gastspiel in Köln auch live vom ersten Ton an bemerkbar. Die unwiderstehliche Eröffnungsnummer ´Weite Landschaft´ gibt mit viel Elektronik und Zeitgeist-Pop-Appeal die Richtung vor, und schnell ist klar: Der gemeinsam mit dem Berliner Produzenten Tim Tautorat (Faber, Provinz, Tristan Brusch, Betterov) erdachte Sound der neuen Lieder, die an diesem Abend den Löwenanteil des 100-minütigen Auftritts ausmachen, ist wie gemacht dafür, selbst größere Säle wie das Gloria problemlos bis in die letzte Ritze zu füllen. Speziell ´Kristallpalast´ verdient sich das Prädikat „Stadionhymne“, und auch der „Du-du-dup-düh“-Part des Schlusssongs ´Fremd in dieser Welt´ erweist sich in der Pause vor der Zugabe als Selbstläufer. Dafür sind allerdings einige Zugeständnisse nötig. Denn obwohl in den neuen Songs immer noch jede Menge memorable Zeilen stecken und sich genau die verblüffende, oft wunderbar abstrakte Wortakrobatik findet, die Frevert schon immer einzigartig machte, wirkt seine Poesie dieses Mal selbst in der Ich-Perspektive weniger persönlich und mehr auf die wiederkehrenden Mitmach-Parts ausgerichtet. Tatsächlich lädt Frevert, seine brillante vierköpfige Live-Band im Rücken, das Publikum gleich mehrfach zum Mitsingen ein („Nicht um mein Ego zu streicheln, es klingt einfach besser“, erklärt er, als sei ihm das Ganze noch nicht ganz geheuer), und auch sein Bühnengebaren – die ausgetreckten Arme, die hochgerissene Gitarre – ist spürbar darauf ausgelegt, selbst auf den billigen Plätzen noch sichtbar zu sein. Dass in Köln trotzdem die alten Nummern am besten ankommen (´Blinken am Horizont´, ´Brückengeländer´ und ´Immer wieder die Musik´ erhalten klar den längsten Applaus), spricht nicht gegen die Neuorientierung, sondern zeigt nur, dass sie nun – endlich! – einem größeren Publikum die Chance gibt, Freverts Ausnahmetalent zu entdecken.
Weitere Infos: nielsfrevert.net