Wer immer schon mal wissen wollte, wie zeitgemäße Popmusik am besten und effektivsten funktioniert, der sollte sich Konzerte wie das von Lizzy McAlpine im Rahmen ihrer ersten Europa-Tour anschauen. Ihr erstes Album „Give Me A Minute“ hatte Lizzy noch genau in die Pandemie hinein veröffentlicht und insofern bot erst die Tour zu ihrem zweiten, im April dieses Jahres veröffentlichten Werkes „Five Seconds Flat“ die Möglichkeit, ihr Material in einem Live-Kontext präsentieren zu können. „Als ich mein Debüt-Album mitten in der Pandemie veröffentliche, war live zu spielen nicht mal eine Option“, erklärte Lizzy ihren Fans im ausverkauften Kölner Club Volta, „und deswegen freut es mich so sehr, dass ihr vor euch spielen kann und dass ihr alle wirklich hier seid.“ Und damit wären wir auch beim Thema: Wo andere wegen fehlender Ticketverkäufe eine Tour nach der anderen absagen, haben insbesondere junge Songwriterinnen überhaupt keine Mühe, selbst größere Hallen bespielen zu können. Und warum? Nun, weil es ihnen gelungen ist, über Social Media Kanäle eine ganze Generation für die Live-Musik zu gewinnen, die ansonsten eher der digitalen Welt zuzurechnen wäre – und die von anderen gar nicht mehr erreicht werden können. Hauptsächlich sind das dann junge Frauen, die in Menschen wie Lizzy Identifikationsfiguren und Role-Models sehen. Insofern herrscht bei Konzerten wie diesem auch immer eine eigenartige Mischung aus kumpelhafter Verbundenheit und ehrfürchtiger Hochachtung bei den Fans. Inwieweit die Künstlerinnen dann darauf eingehen, hängt von deren Persönlichkeit ab. Im Falle von Lizzy McAlpine ließe sich sagen, dass diese in etwa neutral zu sein scheint. Zwar biederte sie sich den Fans nicht an (wie das manche ihrer Kolleginnen tun), freute sich aber andererseits auch mächtig darüber, dass die Fans nicht nur jedes Wort mitsingen können, sondern zu bestimmten Stichworten ihrer Songs z.B. Rosen auf die Bühne werfen oder (im Falle des Titels „All My Ghosts (Are With Me)“) Blätter mit während der Wartezeit auf den Einlass selbst gemalten Geistern hochhalten. Musikalisch ist das, was Lizzy (und ihre Kolleginnen) zu bieten haben, überschaubar und ökonomisch. Ohne den Versuch zu machen die zuweilen aufwendigen und opulenten Arrangements der LP-Produktionen reproduzieren zu wollen agieren Lizzy & Co. jeweils mit einem/r Drummer(in) und einem/r Multiinstrumentalist(in), die weitestgehend im Hintergrund agieren und nur selten ein Mal ins Spotlight geraten – wie z.B. Lizzy’s Musikerin Kelly für ein Solo bei dem Song „Angelina“. In der Tat scheint da weniger auch mehr zu sein, denn insbesondere dann, wenn die Sache intimer und akustischer wurde, stellte sich so etwas wie eine heimelige Stimmung ein. In ihren Songs klagt Lizzy von den selben Sorgen und Nöten wie ihre Fans und ihre Kolleginnen und bedient sich kompositorisch und gesanglich dabei der Phoebe Bridgers Schule – was die Sache dann in gewisser Weise universell, aber auch austauschbar macht, so dass sich schon die Frage stellt, wie oft die Fans eigentlich die generischen Kompositionen ihrer Idole angehört haben müssen, um diese a) auseinanderhalten und b) mitsingen zu können. Lizzy Alpine hat dabei noch das Glück, auf ihrer letzten LP einige Celebrities für Gastauftritte zugewiesen bekommen zu haben – darunter auch Songwriter-Kollege Ben Kessler (der sie auch in Köln als Support Act unterstützte) und insbesondere Billie Eilish Bruder Finneas – was ihr bei den Fans dann natürlich endgültig einen Bonus verschaffte. Musikalisch war diese Show natürlich keine besondere Offenbarung – aber das spielte nun wirklich keine Rolle, denn wer seine Fans so glücklich machen kann, wie Lizzy McAlpine der hat natürlich die Moral auf seiner Seite und braucht sich um Dinge wie musikalische Integrität natürlich überhaupt keine Gedanken zu machen. Und natürlich ist Lizzy auch keine schlechtere Songwriterin als ihre Kolleginnen – allerdings dann auch keine bessere.
Weitere Infos: https://lizzymcalpine.com/