(Voland & Quist, 93 S., 12,00 Euro)
Man muss bekanntlich kein Fußballfan sein, um an den kurzen biografischen Skizzen Spaß zu haben, die die Damen und Herren bei Voland & Quist seit einiger Zeit in loser Folge herausgeben. Denn die Texte stammen nicht von verzweifelt neue Metaphern suchenden Aushilfssportjournalisten oder Statistik-besessenen FußballNerds, sondern von "echten" Literaten, in diesem Fall vom LesebühnenKönig Ahne. Wer dessen autobiografisch gefärbten Roman "Wie ich einmal lebte" kennt (s. WZ 07/23), weiß, daß Ahne in Ostberlin aufgewachsen ist. Vielleicht nicht in Oberschöneweide wie Steve und Lutz (warum das wichtig ist, merkt ihr gleich), aber in der Hauptstadt der DDR. Er kennt also den Alltag der Ost-70er/80er und deshalb kauft man ihm auch jede Zeile dieses kurzen Porträts des Mittelfeldstrategen Reinhard Lauck (das viel mehr eines der Jugendlichen Steve und Lutz ist) ab. Dabei wollte im ganzen Osten niemand etwas mit Laucks Verein zu tun haben, der BFC Dynamo war als Dauermeister und Spielzeug von StasiChef Mielke Gegenstand einer konfliktträchtigen Mischung aus Spott, Verachtung und Hass. Insbesondere für Jungs aus Köpenick oder Oberschöneweide, denn dort war man Fan des 1. FC Union. Punkt. Aber Steve und Lutz fiebern mit dem BFC, der eine mehr oder minder zufällig, der andere (vielleicht sogar in einer Art doppelter Negation), weil Papa selbst Offizier ist – egal. Steve jedenfalls verehrt dabei besonders "Mäcki" Lauck: den Ruhepol, den Ballverteiler, den hintergründigen Mittelfeldmann mit Spielverständnis (wobei 1978 niemand von Spielverständnis gefaselt hätte – das tue auch nur ich hier, Ahne bleibt immer schön im zeitgenössischen Jargon). Und das selbst wenn der, weil er (obschon 1968 als unbekannter 22jähriger mit Union völlig überraschend DDR-Pokalsieger geworden) seinen Club "verraten" hatte und nach dem Union-Abstieg 1973 zum BFC gewechselt war, eigentlich wenig zum Vorbild taugte. Sogar einen in jugendlicher Unbekümmertheit geplanten Fluchtversuch durch die Kanalisation brechen die beiden nach kurzer Diskussion seinetwegen ab: "Wir jehören hier her, Lutz. Dit is unser Revier. Schöneweide. Ostberlin. Dit Sportforum. Wat meinste, wat Reinhard Lauck sagt, wenna erfährt, dit wir beede ihn verraten hätten." Und so zeichnet Ahne weniger das LebensBild eines vergessenen Ostfußballers als das einer durchaus lustigen, nuancenreichen Jugend in Berlin, DDR. Nur auf den letzten 5 Seiten, auf denen Steve in knappen Worten resümiert, wie es weiterging – mit dem BFC-Abonnement auf den DDR-Meister-Titel, mit Lehre und Frauensachen, mit kaputtem Fußballerknie und DDR-Untergang, mit Westschallplatten und dem Absturz des Fußballstars ins buchstäbliche Nichts – atmet der Text eine große Melancholie. Nicht als Verklärung des absolut nicht zu verklärenden Ostens, sondern als Blick zurück nach vorn. Reinhard Lauck starb 1997 völlig verarmt an schweren Kopfverletzungen, mit denen man ihn als "hilflose, alkoholisierte Person" auf der Straße gefunden hatte.Weitere Infos: www.voland-quist.de/werke/reinhard-lauck-einer-von-uns/