(Insel, 272 S., 12,00 Euro)
Christa Wolf dürfte selbst westdeutsch Sozialisierten als Autorin ein Begriff sein, zumindest jenen, die unter Literatur mehr verstehen als FinanzRatgeber oder VampirRomane. Bei Brigitte Reimann wird’s wahrscheinlich schon schwierig, vielleicht sagt aber "Franziska Linkerhand" doch einigen was. Und Maxie Wander ist vermutlich ein Fall für Spezialisten – oder für Ostdeutsche, denn dort kennen viele (insbesondere Frauen) ihren aus diversen Interviews montierten Band "Guten Morgen, du Schöne". Die drei sind waren nahezu gleich alt: Reimann und Wander Jahrgang 1933, Wolf nur vier Jahre älter. Zugleich bildete sie das Scharnier einer Frauenfreundschaft, wobei Wander und Reimann leider nie über eine flüchtige Bekanntschaft hinaus kamen, beide aber eine intensive Beziehung zu Christa Wolf hatten. Die kurz vor der Wende in Leipzig geborene Historikerin und Autorin Carolin Würfel ist zu jung, um von den DDR-Bedingungen unmittelbar geprägt zu sein und familienbedingt doch mit Wander, Reimann und Wolf aufgewachsen. Die unbekümmerte Art, mit der sie sich hier den drei Biografien nähert, wie sie Gemeinsames (das frühe Brennen für die Idee "Sozialismus", den Drang zum Schreiben, auch das Herantasten an den Umgang mit Körperlichem) verknüpft und Trennendes (v.a. die höchste unterschiedlichen Temperamente) benennt, macht diese Montage dreier sehr ähnlicher und doch grundverschiedener Lebensläufe interessant. Dabei ringt Würfel heute mit anderen Dämonen, als Wander-Reimann-Wolf in den 50er/60er Jahren – über Würfels Drang zur geschlechtergerechten Sprache hätten sie vielleicht geschmunzelt, mussten sie doch mit wesentlich handfesteren Problemen umgehen (Zensur, Partei und Stasi, auch der für viele DDR-Intellektuelle eine enorme Zäsur bildende Einmarsch der Sowjetarmee in Prag 1968). So findet sich in diesem Buch etwa der durchaus richtige, aber im Grunde doch unnötige Satz: "Ein Frauenleben über Männergeschichten zu beschreiben und zu begreifen zu versuchen ist blödsinnig und eindimensional." Wenige Zeilen vorher zitiert Würfel Brigitte Reimanns Selbsterkenntnis: "Wahrscheinlich neige ich gerade deshalb zum Anarchismus, weil ich aus dem Bürgertum komme." Auch richtig, aber von ganz anderer Sprengkraft, oder? Doch gerade dieser andere, "junge", vielleicht feministische und nicht unbedingt literaturwissenschaftliche, auf jeden Fall sehr persönliche Ansatz hebt dieses Projekt über bloße AutorenBiografien hinaus. Wir erfahren hier vieles über die drei großen Schriftstellerinnen Maxie Wander, Brigitte Reimann und Christa Wolf (auch wenn wir das meiste davon schon wussten, ist es doch geschickt erzählt und verschränkt) und zugleich lernen wir die Befindlichkeiten der Autorin Würfel kennen. Und einmal mehr denken wir auch, dass Krebs ein ungerechtes Arschloch ist (Wander starb wie Reimann viel zu früh daran)!Weitere Infos: www.suhrkamp.de/buch/carolin-wuerfel-drei-frauen-traeumten-vom-sozialismus-t-9783458683384