(Verlag Kettler, 208 S., 35,00 Euro)
Reichlich eine Woche nach Erscheinen ist dieses Buch auf der Verlagswebsite "vergriffen" und bei Amazon (wo man bekanntlich bestenfalls gucken, aber niemals kaufen darf) tatsächlich "Bestseller Nr. 1 in Fotojournalismus" – irgendwas scheint Alex Kühne richtig gemacht zu haben. Schon seine autobiografische Züge tragenden Romane "Düsterbusch City Lights" (s. WZ 07/16) und "Kummer im Westen" (s. WZ 02/21) waren recht erfolgreich – und befassten sich (der erste mehr, der zweite weniger) auch mit dem die Kühne'sche Adoleszenz prägenden "Jugendclub EXTREM" in Lugau. Jenen hatte Kühne mit einigen Gleichgesinnten inmitten der selbst für ostdeutsche Verhältnisse nicht anders als als "Provinz" zu bezeichnenden Lausitzer TagebauEinöde initiiert. In Lugau. Bei Doberlug-Kirchhain. Zwischen Falkenberg, Elsterwerda und Finsterwalde. Also auf halbem Wege von Berlin nach Dresden. Dort fiel man automatisch auf, wenn man lange Haare und Jeans ebenso vermeiden wollte wie einen "ordentlichen" Seitenscheitel und FDJ-Hemd (ich weiß da sehr genau, wovon ich spreche). Jedenfalls brachten Kühne & Co. - anders als meisten anderen ProvinzRebellen – die Energie und Unverfrorenheit auf, mehr oder minder neben den offiziellen Strukturen einen kleinen SubkulturTempel zu etablieren. 1983 starteten die ersten Partys im Saal des geldgeilen Dorfkneipers, zunächst holprig (denn die "underground"-Stars aus Ostberlin oder Leipzig hatten anfangs wenig Lust auf Abstecher in die Ungewissheit des sonst von BluesKunden geprägten Nirgendwos), dann aber mit zunehmendem Erfolg. Bis zum verdienten Status "SzeneLegende" inkl. einer wirklich ansehnlichen "hier gespielt haben"-Liste. Dieser wunderschöne, etwa A4-große und in eine ansehnliche Schweizer Broschur mit interessant geteiltem Frontcover gebundene Bildband dokumentiert in klassischer "those where the days"-Manier das Geschehen (zum Glück war Mitinitiator Henri Manigk ein ebenso begeisterter Hobbyfotograf wie der "nebenberufliche fotografische Chronist" Frank Kiesewetter). Unmengen von s/w-Fotos (Farbe war in der DDR qualitativ schwierig und teuer), die Reproduktionen etlicher Quittungen, Behördenbriefe und Verwarnungen und die von Protagonisten, Gästen und im EXTREM aufgetretenen Musikern verfassten Texte (bzw. die mit jenen geführten Interviews) geben einen prima Einblick in das, was selbst unter DDR-Bedingungen an Freiraum möglich war (und auch, was nicht – wobei in Lugau wegen fehlender politischen Auffälligkeiten relativ viel ging), wieviel Spaß man auch in improvisierten Kulissen und Kostümen haben konnte und was überbordende Kreativität, hartnäckiges Organisationstalent und die eingangs angesprochene Unbekümmertheit ermöglichen konnten. Dabei ging es den EXTREMisten tatsächlich kaum darum, das System in Frage zu stellen oder gezielt zu provozieren – eigentlich wollten sie nur die Blitz-Kids der Zone sein. Waren sie auch irgendwie: gestylt und wild geschminkt, mit Mottopartys und Kostümfesten, IndieDiskos und DarkWave-Konzerten. Dass soviel Enthusiasmus (der irgendwann vielleicht auch einen gewissen finanziellen Aspekt bekam, auf den wir hier aber nicht näher eingehen wollen) die Übernahme durch den Westen 1990 nicht überleben konnte, war eigentlich klar.Weitere Infos: www.verlag-kettler.de/de/buecher/der-jugendclub-extrem