(Wolke, 287 S. + 5 CDs, 39,00 Euro)
Wenn etwas das Attribut "legendär" verdient, dann ja wohl das "Studio für Elektronische Musik des WDR". Von "Sinuston-Sessions" (schon, dass gleich zu Beginn der Einführung auf Thomas Pynchon verwiesen wird, macht dieses Buch sofort sympathisch) bis Techno, von Stockhausen bis zum geistesverwandten und ästhetisch doch anders gelagerten "Studio Akustische Kunst" – hier liegen die Wurzeln für vieles, wenn nicht fast alles, was heute nicht-akustischen KlangErzeugern so an Tönen entlockt wird. Anfangs waren das tatsächlich eher (mess)technische Geräte und Apparate aus der Ingenieurabteilung des Rundfunks, die von KlangKünstlern mit ebenso großem TheorieInteresse wie Spieltrieb zweckentfremdet wurden. "Klanglabor" und "Hexenküche" wird das Studio genannt, die Ergebnisse reichen von Stockhausen serialistischen Vorstellungen bis zur an Minimal Music angelehnte "Pulse Music III" von John Mc Guire (und damit auch von Oktavfiltern und Schwebungssummern bis zu Synthesizern und Sequenzern) und begeistern bald nicht nur die akademische Fachwelt, sondern auch Popmusiker von Can bis zu den Beatles. Das Buch beschreibt (auf Deutsch und textgleich auf Englisch) die Geschichte des SEM nach einem ersten allgemeinen Abriß v.a. anhand von Porträts der jeweiligen Leiter: "Gründungsvater" Herbert Eimert (ab 1951), dann (ab 1963) Karlheinz Stockhausen und schließlich (ab 1990 bis zur eher unrühmlichen Auflösung Ende 1999/Anfang 2000) York Höller - auch Irrwege und Rückschläge, Grabenkämpfe und persönliche Fehden werden angesprochen. Dass sich unter der Ägide solch prägnanter Leitungs-Persönlichkeiten dennoch ein besonderer "Teamgeist" entwickelte, zählt zu den Besonderheiten des SEM (auch wenn dieser "soziale Charakter des Studios" mit der Zeit verloren ging) – was in Björn Gottsteins TextBeitrag schön herausgearbeitet wird. Die beiden Herausgeber untersuchen in ihrem Essay – wieder unter Rückgriff auf Passagen aus Pynchons "Die Versteigerung von No. 49" - "Rezeption (und Nachleben) des Kölner Studios", es gibt einen "Studio-Erinnerungen" benannten Abschnitt voller Zitate von Protagonisten, ein knappes Glossar v.a. zur Technik und jede Menge toller Fotos. Und 5 CDs randvoll mit Klangbeispielen aus dem SEM-Katalog: dabei setzen die Kuratoren weniger auf die vertrauten "Meilensteine" (z.B. eben von Eimert, Stockhausen und Höller), sondern präsentieren auch eher weniger bekannte (und z.T. erstmals auf CD erhältliche) Stücke von Karel Goeyvaerts, György Ligeti, Peter Eötvös, Iannis Xenakis oder Nicolaus A. Huber. Mit Marco Stroppas "Zwielicht" ist schließlich eine der letzten fertig gestellten SEM-Produktionen zu hören. Allein das macht den Erwerb dieses Buch-CD-Pakets zum Pflichtkauf für alle tiefer an Elektronischer Musik Interessierten.Weitere Infos: www.wolke-verlag.de/musikbuecher/harry-vogt-martina-seeber-radio-cologne-sound-2