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RENATE LUCKNER-BIEN

Die Rovomobil-Story

(Hasenverlag, 72 S., 15,00 Euro)

Der Hallenser PopArtKunstMacher Moritz Götze fungiert seit Jahrzehnten jenseits seiner künstlerischen Betätigung auch als organisatorischer Motor, als Beweger und Anreger. Waren es in den 80ern illegale (Punk)Bandauftritte und rauschende UntergrundFeste , die u.a. in einem seinerzeit ziemlich abgerockten und heute als Objekt 5 zu einer festen Livemusik-Institution der Stadt gewordenen Hinterhof in der Seebener Straße stattfanden, so ist es seit 2006 z.B. der Hasenverlag, den Götze mit aus der Taufe gehoben und unterstützt hat. In diesem erscheint eine Reihe zu stadtgeschichtlichen Themen, auf deren #50 Moritz Götze im Vorwort spürbar stolz ist. Und diese Jubiläumsausgabe sollte auch überregional auf Interesse stoßen, behandelt sie doch die noch kaum bekannte Geschichte eines Designexperiments, das in den 70ern begann und mehr oder weniger intensiv bis zur Wende (und in gewisser Form auch darüber hinaus) bearbeitet wurde. Initiatoren waren Klaus Arndt und Eberhardt Scharnowski, zwei Dozenten der Hallenser Designschule (damals DDR-weit als "Hochschule für industrielle Formgestaltung" bzw. kurz als "Burg" bekannt und heute als "Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle" eine der größten Kunsthochschulen des Landes), die sich mit ihren Studenten - dicht angelehnt an das Bauhaus und den "form follows function"-Gedanken – u.a. mit der Optimierung von PKW-Karossen befassten. Diese sollten sicher sein, strömungsgünstig und – die Dozenten vertraten die Ansicht, damit auch folgerichtig bzw. sogar zwangsläufig – ästhetisch ansprechend. Aus in den Burg-Seminarräumen geformten Ton- und Holzmodellen entwickelten sie ein fertiges Fahrzeugkonzept, das in einer verlassenen Werkstatt im Hinterhof des Grasemannhauses (mitten in der dem Verfall preisgegebenen Altstadt) in zwei Prototypen umgesetzt wurde. Aus der Mechanik eines alten VW Käfer, diversen Ost-Ersatzteilen und jeder Menge glasfaserverstärktem Kunststoff entstanden fahrtüchtige Autos, die nach hartnäckigem Insistieren irgendwie sogar die Gnade des DDR-TÜV-Pendants fanden und schließlich ab 1976 bzw. 1981 als Rovomobil 1 und 2 Halles Straßen belebten. Flügeltüren, Klappscheinwerfer, ein geschlossener Unterboden und die windschlüpfrige Form sorgten nicht nur für verblüffte Passanten, sondern auch für sensationelle Luftwiderstandsbeiwerte. Ihre Ergebnisse publizierten die beiden in Fachzeitschriften, was auch internationales Interesse hervorrief. Die DDR-Bürokratie verstand es aber, die Anfragen von BMW & Co. so zu verschleppen, dass es bei Anfragen und Prototypen blieb (dazu mussten gar nicht unbedingt ideologische Gründe bemüht werden, es reichte der normale Verwaltungswahnsinn). Die Fahrzeugen gerieten in Vergessenheit (obschon eins seit 1990 im Wolfsburger VW-Museum stand) und wurden erst mit der Anfang der 2010er nach 20 Jahren ScheunenSchlaf erfolgten Restaurierung des Rovomobil 2 (wieder) einer breiteren(?) Öffentlichkeit bekannt. Die Autorin Luckner-Bien hat schon einige Bücher über die Burg als Kunsthochschule, über die legendären dort gefeierten Feste oder über den großen Bildhauer Gerhard Marcks im Hasenverlag veröffentlicht. Götze gewann sie auch für die "Rovomobil-Story" - und selbst wenn man dem Text anmerkt, dass er eher aus einer geisteswissenschaftlich-historischen Perspektive denn einer technischen geschrieben ist: hochinteressant ist der kleine Band allemal, auch und gerade wegen der zahlreichen Fotos und KonzeptSkizzen.
Weitere Infos: www.hasenverlag.de


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