(Eichborn, 383 S., 24,00 Euro)
Dieses Buch wurde schon im letzten Herbst mit relativ großem Presse-TamTam angekündigt, es wurden Leseexemplare gedruckt, der Eichborn-Stand auf der Leipziger Buchmesse war (zumindest in großen Teilen) quietschegelb gehalten und wer dort ein Exemplar von "Yellowface" direkt am Stand erwarb, bekam es in einen entsprechend designten Stoffbeutel verpackt überreicht. Wenn man den Text der in China geborenen, aber in den USA aufgewachsenen "New-York-Times-Bestseller"-Autorin gelesen hat, versteht man (vielleicht) sogar, warum eine so aufwendige Marketingkampagne gefahren wurde. Denn das Buch befasst sich (auch) mit den Mechanismen des vorrangig kommerziell orientierten, aber doch einen gewissen Anspruch nicht unterschreitenden Buchmarkts, besser -geschäfts. Die Heldin heißt Juniper Song Hayward und ist zu Beginn des Romans eine eher mäßig erfolgreiche Jungautorin, die mit einer wirklichen BestsellerSchreiberin mehr oder weniger eng befreundet ist. Jene wird von der Kritik geliebt, weil sie nicht nur lesbare Bücher schreibt, sondern auch (vielleicht sogar vor allem) weil sie "divers" ist: Athena Liu ist nämlich chinesischer Herkunft und das macht sich argumentativ ganz gut. Oder mit June Haywards Worten: "Niemand interessiert sich für Geschichten "ganz normaler" weißer Mädchen". Unglückliche Umstände führen beim gemeinsamen Pancakes-Essen zum einen zum frühzeitigen Ableben der StarAutorin und zum anderen June in eine (zunächst unbewusste) Versuchung. Jedenfalls (wir kürzen jetzt mal stark ab) wandert Athenas jüngstes RomanManuskript von deren Schreibtisch in Junes Handtasche und von da zu einem angesehenen Verlag, nun allerdings mit einer gewissen Juniper Song als Autorin (zugegeben nach kräftiger Be- und Umarbeitung, man könnte wohl von Co-Autorenschaft reden). Das Buch verkauft sich prima, aber nach kurzer Zeit kommen mit dem Erfolg auch die Neider und schnell werden Zweifel am wirklichen geistigen Eigentümer laut – der shitstorm ist nicht weit und bricht (kurz vor der Mitte der knapp 400 Seiten) mit voller Macht über die eben ins Rampenlicht getretene Juniper. Soweit die grobe Linie, die neben Reflexionen über Identität, Rassismus und kulturelle Aneignung auch aufschlussreiche Einblicke in den Maschinenraum des Literaturbetriebs mit all seinen Lektoren und Agenten, MarketingLeuten und Sensitivity Reader*innen bietet. Nicht zu vergessen die Bedeutung von Social Media und Amazon-Bewertungen etc. pp. - gerade die digitale PseudoWirklichkeit von Twitter oder Goodreads hat in den Kreisen, in den sich Athena und Jun(ip)e(r) beweg(t)en, eine kaum zu begreifende Bedeutung (auf dem Höhe- bzw. Tiefpunkt des Trubels verordnet sich die gefallene Heldin (ganz kurz) sogar eine DigitalAbstinenz, was nahezu körperliche Schmerzen hervorruft). Rein handwerklich ist der Text nicht übermäßig komplex oder raffiniert konstruiert, das Erzählen folgt einem geraden Zeitstrahl und die Geschichte ist zwar durchaus spannend, aber auch mit einer für meinen Geschmack etwas zu schlichten SofortVerständlichkeit erzählt. Hier – wie auch bei der Tiefe der gesellschaftlich-ethisch-diskursiven Betrachtungen – unterfordert Rebecca F. Kuang ihr Publikum ein klein wenig. Lesenswert ist dieser Roman aber ganz ohne Zweifel dennoch (und Beifall von "der falschen Seite" gottlob kaum zu erwarten).Weitere Infos: www.luebbe.de/eichborn/buecher/literarische-unterhaltung/yellowface/id_10257811