(DCV, 80 S., 26,00 Euro)
Einer der Gründe, warum ich Ende der 80er unbedingt im damals noch als "Karl-Marx-Stadt" firmierenden Chemnitz studieren wollte, war natürlich die musikalische Szene um Frank Bretschneiders AG Geige. Ein anderer, auch recht bedeutsamer war aber der Nimbus jener legendenumwobenen KünstlerGalerie mit dem seltsamen Namen "CLARA MOSCH" (und die seinerzeit noch sehr präsente Aura der "Galerie Oben" mit Georg Brühls fulminanten "Mittwochsveranstaltungen"). Kaum angekommen bestaunte man die Großartigkeit eines Michael Morgner aus der Nähe, verfiel der archaischen (manchmal auch destruktiven) Energie des Klaus Hähner-Springmühl und dachte allen Ernstes daran, den eremitischen Carlfriedrich Claus einfach mal in seiner kontemplativen KunstHöhle unterm Annaberger Kino zu besuchen (nicht wissend, dass der Mann selbst für enge Freunde kaum zu sprechen war). Morgner und Claus waren zwei der fünf Mitglieder jener am 30. Mai 1977 (was sofort eine Erinnerung an meine Oma triggert, die gern "Am 30. Mai ist der Weltuntergang, wir leben nicht mehr lang..." schmetterte) gegründeten Produzentengalerie - übrigens der ersten in der DDR. Und zumindest für die trockenen DDR-KulturBürokraten kam es durchaus einem Weltuntergang gleich, was Carlfriedrich CLAus, Thomas und Dagmar RAnft(-Schinke), Michael MOrgner und Gregor-Torsten SCHade (der seinen Namen später in Kozik änderte) da (nur) gut fünf Jahre lang im schon ländlich geprägten VorStadtTeil Adelsberg veranstalteten. Man präsentierte eigene Werke, aber auch die von Geistesverwandten, also eher nicht systemkonformen Leuten wie Max Uhlig, Horst Bartnik oder vom schon erwähnten KHS und war dabei weit mehr als nur ein Ausstellungsort, war KunstProduktionsGenossenschaft und KristallisationsKern. So zelebrierte die Truppe z.B. regelmäßig sogenannte Pleinairs (der Begriff lehnt sich natürlich an das Konzept der "Freiluftmalerei" an - nur ein Schelm vermutet darin auch eine Verulkung der SED-Plenartagungen), bei denen sie nackt auf Bäumen herumklettern, in Ahrenshoop das "Meer auffüllen", bei Tabarz "Bäume verbinden" oder am Strand von Hiddensee aus angeschwemmten Paletten einen Riesenstuhl bauen. An all das wurde im letzten Jahr mit einer kleinen Ausstellung im "Kunstverein Ost e.V.", einer Galerie im Sockel eines Plattenbaus an der Leipziger Straße (nicht nur) dem Berliner Publikum in Erinnerung gerufen (oder überhaupt erst mal bekannt gemacht). Plakate, Postkarten und Videos, dazu Grafik, Malerei und auch der legendäre Leussow-Koffer sowie etliche Fotos (vom engen Clara Mosch-Begleiter Ralf-Reiner Wasse, der zwar regelmäßig und gegen gute Bezahlung die Stasi über die Aktivitäten der Gruppe in Kenntnis setzte, aber eben auch dafür sorgte, dass das CLARA-MOSCH-Erbe heute u.a. auch ca. 12.000 Negative umfasst) gaben einen schönen Einblick in dieses Parallel-Universum. Im Rahmenprogramm zur Ausstellung führte Galerieleiter und Kurator Stephan Koal ein etwa 45minütiges Galeriegespräch mit "Obermosch" Ranft (sehr interessant und hier zu finden: www.youtube.com/watch?v=tg8W44DXmyQ), die nun endlich erschienene Begleitpublikation enthält Auszüge daraus und diverse Abbildungen mitsamt (eher knappen, dafür aber auf Deutsch und Englisch abgedruckten) Erläuterungen und ist so ein perfekter Einstieg in die (vielleicht gar nicht wirklich) untergegangene Welt der CLARA MOSCH.Weitere Infos: www.dcv-books.com/produkt/clara-mosch-und-fruehe-kunstaktionen-in-der-ddr