YASMIN SIBAI

(Frankfurter Verlagsanstalt, 352 S., 26,00 Euro)

Erinnert sich noch jemand an die Hannoveraner Art-Punks "Geteilte Köpfe"? Ich habe die ganz zu Anfang der 90er mal live gesehen und war recht beeindruckt. Mehr als 30 Jahre später erinnert sich G.K.-Sängerin Yasmin Sibai an die "Glocksee"-Tage. "Punked" ist dabei aber kein semi-autobiografischer "oral-history"-Roman, sondern auch ein Thriller: die inzwischen mit Mann und Kind in recht bürgerlicher Umgebung am Stadtrand von Amsterdam lebende Heldin Bey erhält nämlich die Nachricht, dass ihr Ex-Freund und Punk-Kollege Iggy verstorben ist. Die Beerdigung in Berlin wird zum Klassentreffen der einstigen SzeneGrößen – und zum Ausgangspunkt für diverse Verwicklungen. Denn Iggy hat eine Kiste mit Proberaum-Tapes vererbt, bei deren Durchhören Bey Zufallsaufnahmen entdeckt, die sich mit anderen Seltsamkeiten zu einer furchtbaren Vermutung fügen. Sibai versteht es, spannend und temporeich zu erzählen, verschachtelt die Zeitebenen und Handlungsstränge in bester Thrillermanier und widersteht der allgegenwärtigen Versuchung, zu viele Themen einzubeziehen wenigstens in weiten Teilen. Dennoch spielen neben Musik und spät 80er/Früh-90er-Livestyle-Romantik organisierte Pädophilie, Dealerei und ComputerHacking gleichermaßen eine Rolle. Wobei über allem "the spirit of punk" schwebt – der eine hat ihn früh verraten, die anderen ihn so nie kennengelernt und doch im digitalen underground gelebt. Dabei hat Sibai recht, wenn sie ihre Heldin beim Nachdenken über dieses Lebensgefühl, diese Sicht auf die Welt folgende Worte in den Mund legt: "Eine Haltung, die nie weggeht, die für immer bleibt. Trotz Deichhaus und Hypothek. … Utopie on dope." Der Titel "Punked" spielt aber nicht nur auf die kulturellen Hintergründe der Protagonisten an, sondern auch seine wörtliche Bedeutung (in etwa: "verarscht") ist sehr treffend: Bey muss erkennen, dass schon damals nicht alles so war wie es (ihr) schien. Eigenwillige Formulierungen finden sich auch: z.B. wird Bey während einer Autojagd durch Polen so übel, dass sie "die komplette rechte Außenseite des Jeeps mit ihrem Mageninneren verschönert". Ich glaube zwar, Sibai meint hier Beys Mageninhalt, aber das zu bemängeln, wäre nun wirklich kleinlich!
Weitere Infos: www.fva.de/Buecher/Neuerscheinungen/PUNKED.html