(Verbrecher Verlag, 462 S., 29,00 Euro)
1999 erschien bei Schwarzkopf & Schwarzkopf die erste Ausgabe von "Wir wollen immer artig sein" und 2006 im Verbrecher-Verlag "Spannung. Leistung. Widerstand." - damit war die wesentliche Arbeit zur historisch-kritischen Aufbereitung der musikalischen GegenKultur der DDR durch die Herausgeber Galenza und Havemeister bzw. Pehlemann eigentlich getan. Könnte man meinen. Und läge doch falsch, wie dieser seiten- und inhaltsstarke Folgeband beweist. Denn die subkulturellen Hervorbringungen außerhalb von Berlin-Hauptstadt der DDR fanden in den eingangs genannten StandardWerken denn doch zu wenig Beachtung. Genau wie die Rolle der wenigen, oft aber sehr aktiven Frauen im Ost-underground (z.B. erfahren Gabriele Stötzer und ihr "Erweiterter OrGasmus – EOG" hier nun endlich die verdiente Würdigung). Oder das Thema "Post-Punk und Film in der DDR", das Claus Löser, der wohl beste Kenner dieser Materie, wenn nicht aus- so doch zumindest an-leuchtet. Überhaupt befassen sich die meisten Texte weniger mit den rauen Punks als mit avantgardistischen und elektronischen Ansätzen: Performance-Aspekte und Lyrik/ArtPunk-Verschränkungen spielten im Osten eben auch eine Rolle. Karl-Marx-Stadt war mit der kunst-affinen Szene um die AG Geige da sicher eine kleine Hochburg und das 1985 von Christoph Tannert in Coswig nahe Dresden inszenierte "Intermedia"-Festival eine legendäre "Leistungsschau" künstlerischer Grenzüberschreitungen aller Couleur. Aber auch der Hallenser RadikalDichter "Matthias" BAADER Holst und sein GeistesFreund Peter "ScHappy" Wawerzinek oder die bizarren Volksmarine-Industrialisten von "FO 32 Extra Hart Arbeitendes Rastermaterial Für Kontakt" sind StartPunkte für Geschichten von einem "damals", das in seinen meisten Ausprägungen auch heute noch sehr "gültig" ist. Aus etlichen Interviews mit und Originalbeiträgen von einigen Veteranen destillieren Pehlemann, Miessner und Galenza einen höchst aufschlußreichen, selbst für (vermeintliche) Auskenner hier und da nochmal überraschende Neuigkeiten darbietenden und (vielleicht bis auf die beiden etwas hastig herunter gerattert erscheinenden und trotz sicher bester Absichten bei der Aufbereitung der übergroßen Materialfülle denn doch etwas unentschlossen und planlos wirkenden Galenza-Beiträge am Ende des Buchs) immer auch gut lesbaren TextSud, die zahlreich einmontierten Bilder (deren Rechteklärung einer der Gründe für die mehrfache Verschiebung der Drucklegung war) sind aber leider viel zu klein. Dabei wären diese Artefakte – Konzert- und Bandfotos, Kassetten-Cover und Band-Manifeste, Film-Stills und Siebdrucke – doch prima für einen voluminösen Hochglanz-Bildband geeignet (kleine Gratis-Anregung für das nächste Projekt)! Den perfekt abgestimmten Soundtrack zum "Magnetizdat"-Buch gibt’s mit der 3LP gleichen Namens (s. WZ 06/23) schon – auch und gerade als Bündel ist das alles sehr zu empfehlen!Weitere Infos: www.verbrecherverlag.de/shop/magnetizdat-ddr-magnetbanduntergrund-ost/