(Elsinor, 199 S., 20,00 Euro)
Die deutsche Richterin Paula braucht Abstand. Abstand von ihrem Partner Hendrik, vor allem aber von einer unangenehmen beruflichen Geschichte: sie hat eine junge UmweltAktivistin (die ebenfalls Paula heißt) zu neun Monaten Bewährung verurteilt, wegen "Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte. Körperverletzung.". Kurz danach hat Paula(II) einen tödlichen Unfall und nun hadert Paula(I) damit, dass sie Paula(II) nicht ins Gefängnis geschickt hat. Denn dort würde sie (die Verurteilte) ja sicher noch leben. Von außen betrachtet eine ziemlich abstruse und für eine kühle Logikerin eher untypische Gedankenkette, aber wenn man sich einmal hineinsteigert... Da scheint ein Urlaub auf einer abgelegenen kapverdischen Insel die perfekte Lösung zu sein. Ausspannen, lesen, spazieren – die komplette kitschige Urlaubsidylle in einem "Paradies in völliger Abgeschiedenheit". Denn neben der Hotelanlage gibt es auf dem fiktiven Eiland nur noch Natur. Und eine "Forschungsstation, … , früher für meteorologische Messungen, heute Biotechnologie. Zukunftsforschung und Naturschutz auf engstem Raum, so muss man es heute machen." Aber dann geht etwas schief. Das Hotel wird evakuiert und Paula durch einen blöden Zufall vergessen. Die Natur ist ruiniert, alles Grün ist dahin, ein Bio-Unfall. Selbst die Ratte, der Paula als einzigem Lebewesen noch begegnet, stirbt bald (das Buch beginnt mit dem schönen Satz "Die Ratte ist verendet."). Was bleibt, ist ein vollständiges auf-sich-selbst-zurück-geworfen-sein. Das setting kennen wir so ähnlich von Robert Merle, im etwas weiteren Sinn auch von Kafka und an beide reicht Konradis Text trotz unbestreitbarer literarischer Qualität nicht ganz heran. Die einsame Heldin schlägt sich philosophierend und reflektierend durch den entlaubten Urwald – in der Hoffnung, am anderen Ende der Insel die Station und damit Rettung (und Erklärung) zu finden. Die Wanderung ist extrem, sowohl körperlich wie auch mental gerät die einst so (selbst)sichere Richterin an ihre Grenzen. Der Mensch im Kampf mit der und zugleich um die Natur, aber auch moralphilosophische Gedanken über das Recht zu strafen – hier findet sich in einer amüsanten Verpackung viel Überlegenswertes. Auch und gerade, weil Konradi Plakatives vermeidet und ihre Heldin (und uns mit ihr) der Ambivalenz der Dinge überlässt.Weitere Infos: www.elsinor.de/-/t029-koestler/t-konradi-insel