(dtv, 461 S., 16,95 Euro)
Es ist Heiligabend. Vielleicht nicht der 2021, aber 2022 könnte schon sein. Jedenfalls ein Heiligabend in nicht allzu ferner Zukunft. Doch statt mehr oder weniger besinnlicher bzw. langweiliger Familienzusammenkünfte erleben die "Top Ten" von 42 (warum 42? Auch das wird in diesem Buch erklärt, denn leider kann wegen des Verfalls popkulturellen Grundwissens ja leider nicht jeder mehr die Frage nach "life, the universe and everything" sofort richtig beantworten) der mächtigsten Personen Deutschlands eine ganz besondere Überraschung. Sie werden unfreiwillig zu Stars der "Reality Show". Und das geht so: kleine gut organisierte und von einer zentralen Stelle aus angeleitete Trupps dringen dank bester Kenntnisse der Schwächen von SmartHomes in die Villen der Makler, Banker, InternetMogule und anderer WirtschaftsbossInnen ein – die Geiselnahmen werden in Echtzeit in eine TV-Show eingespielt, die eine andere Gruppe des Netzwerks moderiert. Und damit auch wirklich niemand was verpasst, wird die "Reality Show" dank ausgeprägter HackerKünste gleichzeitig auf allen Kanälen ausgestrahlt – es gibt auch für die Zuschauer kein Entkommen. Denn Ausschalten ist keine Option, verspricht der smarte Moderator doch spektakuläre Preise. Die Zuschauer müssen dazu nur abstimmen. Abstimmen darüber, welche Bestrafung die dem Tribunal überantworteten Geiseln erfahren sollen. Da gibt es schon mal einige Millionen an Bedürftige zu überweisen, nette Immobilien zu übernehmen und andere Annehmlichkeiten. Die (Wirtschafts)"Täter" werden zu "Opfern" und umgekehrt. Es geht schlicht um Gerechtigkeit. Die GrundIdee ist gut, aber das Figurenensemble ist (zumindest für mich) viel zu unübersichtlich. Denn Freytag schreibt die einzelnen Kapitel aus jeweils wechselnden Perspektiven. Mal sehen wir zu, wie sich bei den Gekidnappten Widerstand regt oder Verzweiflung breit macht, mal erfahren wir, wie die (anfangs sehr kleine) Gruppe der Internet-Robin-Hoods ihr Vorhaben organisiert. Weil aber die "Terroristen" während der Aktion nur ihre Decknamen verwenden und die Zeitebenen nicht unbedingt linear sortiert sind, verliert der abendliche Leser leicht den Überblick über das Detail. Niemals aber den über das Ganze, denn dort ist die Botschaft klar: "Nehmt den Reichen etwas von deren "Zuviel" und gebt es den Normalverdienern, um dort das permanente "Zuwenig" zu lindern!" Moralische und ethische Zweifel sind da programmiert, auch diese Aspekte spart Freytag in ihrem leider etwas zu dissoziativen Buch nicht aus. An mangelndem Selbstbewusstsein leidet die Autorin keineswegs, das spürt man an vielen Stellen ihres "Romans mit Spannungselementen" (diese durchaus treffende Formulierung stammt von der Pressereferentin des Verlags) – warum sollte sie auch, wo sie doch eine so clevere Geschichte spinnen kann. Spannend und unterhaltsam ist das hier nämlich allemal.Weitere Infos: www.annefreytag.de