(Nagel & Kimche, 271 S., 24,00 Euro)
2019 erschien "Der Fluss", ein Buch, das nicht nur an dieser Stelle gefeiert wurde. Deshalb war ich sehr gespannt auf den neuen Roman des US-Amerikaners. Und wurde – sagen wir es ruhig gleich zu Beginn - arg enttäuscht. Denn das Gefühl für den literarischen Rhythmus, das den "Fluss" so besonders machte, die Wortgewalt in der Beschreibung der Wunder der Natur, die Faszination des banal Bösen – all das fehlt in diesem durchaus als Fortsetzung des Vorgängers zu verstehenden Buch. Den englischer Originaltitel des Romans, "The Guide", finde ich übrigens besser, aber wahrscheinlich hatte man beim Verlag nicht ganz ohne Grund die Befürchtung, "Der Führer" könnte die falschen Leser anlocken. Jedenfalls versucht "Fluss"-Held Jack, den Tod seines PaddelKameraden (und den länger zurück liegenden der Mutter) zu verarbeiten, vielleicht auch zu verdrängen, indem er als AngelGuide auf der Kingfisher Lodge irgendwo im Nirgendwo der Rocky Mountains anheuert. Dort wird reichen Kunden ein Naturerlebnis samt exklusivem Forellenfischen verkauft ("Forellenfischen in Amerika" - da muss ich sofort an Richard Brautigans phänomenale Geschichtensammlung denken!). Und anscheinend noch mehr, denn Kunden wie Führern wird schon bei Ankunft eingeschärft, dass das Grundstück des schießwütigen Nachbarn tabu ist. Natürlich verbessert Jack nicht nur die ohnehin schon gut ausgeprägten Angelkenntnisse der ihm anvertrauten berühmten Sängerin Alison K, sondern erkundet mit ihr gemeinsam auch todesmutig die in der Lodge und den eigenartigen Neben- und Nachbargebäuden stattfindenden Seltsamkeiten. Das setting (tolle Natur, aber keine (Telefon)Verbindung zur Außenwelt; supernette Frau, aber ganz andere Liga; verbindliche Typen, aber voller finsterer Gedanken) ist so bekannt wie gut, die literarische Umsetzung aber leider dürftig. Das ErzählTempo ist zunächst quälend langsam, der Versuch, daraus eine besondere, Twin-Peaks-artige Spannung aufzubauen, scheitert krachend (zumindest ich war stellenweise kurz davor, mich zu langweilen). Zu offensichtlich sind die Hinweise und Andeutungen; allein die Hoffnung, dass Heller als begabter Schriftsteller doch nicht wirklich so ein Bill-Gates-Verschwörungs-Ding erzählen will, erzeugt einen Hoffnungsschimmer. Doch, will er. Und tut er: die Klischees werden eifrigst bedient, das Handeln der Helden hingegen kaum hinterfragt (auch da ist – zumindest aus der Perspektive eines westeuropäischen Pazifisten-Weicheis - manches ethisch kritikwürdig). Dann wird es plötzlich hektisch und actionreich, der show-down am Schluss ist so feinfühlig und psychologisch ausdifferenziert wie bei Rambo. Hoffen wir also, dass Hellers nächstes Buch mehr "Fluss" als "Lodge" wird. Dann freuen wir uns auch wieder auf und über 271 Seiten Lesespaß.Weitere Infos: www.nagel-kimche.ch/buecher/peter-heller-die-lodge
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