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ANDRÉ HERZBERG

Keine Stars

ANDRÉ HERZBERG

(Aufbau Verlag, 256 S., 24,00 Euro)

Corona hat sicher dazu beigetragen, dass André Herzberg ein Projekt anfasste, nach dem ihn nicht nur MusikerKollegen immer wieder fragten, dem er aber längere Zeit auswich: ein Buch über sein "Leben mit Pankow". Für alle, die den Mann nicht kennen: er war bzw. ist Sänger einer der besten ("offiziellen") RockBands der DDR, die seit 1981 erfolgreich auf dem sehr schmalen Grat zwischen Aufruhr und Anpassung balancierte. Wie er zu jener Band fand, aus der bald "Pankow" wurde, erzählt er in den ersten Abschnitten dieses Buchs. Auch von seiner (lebenslangen) Unsicherheit und den Selbstzweifeln – und vom Drang zum Sang, der ihn schließlich doch Musik (bzw. Gesang) studieren ließ (in der DDR notwendige Voraussetzung für ein Leben als ProfiMusiker). Seine FunktionärsEltern misstrauen dem jungen Sänger, der Vater empfiehlt dem Vorgesetzten seines Wehrdienst leistenden Sohns gar, ihn wegen Unzuverlässigkeit "hart anzufassen" (dieses Trauma hat Herzberg auch in seinem Roman "Alle Nähe fern" verarbeitet) – es kommt zum Suizidversuch, der Herzberg nochmal traumatisiert, in gewisser Weise aber auch stärkt. Eigenartig schnell wird er Profi, auch die erste LP spielt Pankow fast überraschend ein – zumindest scheint es in Herzbergs Erzählen so. Es gibt Auseinandersetzungen innerhalb der Band und mit dem Staat (eine LP trägt den hart erkämpften Titel "Aufruhr in den Augen"), es gibt Verbote, aber auch große Erfolge (die 86er LP heißt nicht ohne Grund "Keine Stars") und etliche FrauenGeschichten (die aber stets mit maximalem Respekt erzählt werden). Repression und Privileg – der Staat gestattet nämlich auch West-Konzerte und (1988!) Griechenland-Urlaub mit der aktuellen Freundin. Die Angst vor Konsequenzen und GeneralVerdacht, als ein Bandmitglied im Westen bleibt; die Unsicherheit, wie der nicht mehr nur von UntergrundAktivisten in die Enge getriebene Staat mit seinen unbequemen Rockern umgehen wird, bestimmt das BandLeben – was wird aus Opportunismus und Rebellentum? Kurz darauf ist jener Staat am Ende, Pankow hatten im September ’89 die legendäre Resolution der DDR-Rockmusiker mit initiiert und wie so viele einiges an Hoffnungen in einen (sozialistischen?) Neustart gelegt. Es folgte aber der Abstieg, bis hin zum Sozialamt. Auch diese Tiefpunkte seiner (Rock)Biografie schildert Herzberg recht unverblümt, den Weg zurück ins Leben, auch zurück auf die Bühnen hat er sich – erst solo, dann wieder mit seiner alten Band – selbst und hart erarbeitet. Ob das konfliktreich-dialektische Verhältnis zum selbstbewussten Gitarristen Jürgen Ehle (inkl. der bodenlosen Enttäuschung, als dessen Stasi-Verstrickungen offenbar wurden) oder nette Anekdoten wie der Tortenwurf auf den Ex-Amiga-Boss, mit dem der Sänger sich 1997 erleichterte – Herzberg berichtet offen und reflektiert, ohne nachträgliches Beschönigen oder übermäßiges Hervortun und vor allem ohne Rachsucht. Der Mann ist trotz all seiner Depressionen und Zweifel vor allem eines – ehrlich und (inzwischen) in sich selbst ruhend, wenngleich noch immer von Komplexen und einer tiefen Unsicherheit geprägt. Weil er schon vor Jahren begann, mit Anspruch zu schreiben, liest sich dieses Buch auch angenehm – auf jeden Fall fehlen die in DurchschnittsRocker(Auto)Bios so häufigen Dümmlichkeiten. Etliche (nicht immer wirklich sinnfällig im Text verteilte) Fotos runden diese gelungene Bandgeschichte aus der Sicht eines Frontmanns ab.
Weitere Infos: www.andreherzberg.net

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