mox & maritz, 520 S., 19,80 EUR
Die Blurbs der Kollegen auf der Rückseite dieses Buchs sprechen Bände: "Ich müsste lügen, wenn ich schriebe, daß ich alles verstanden hätte." (Andreas Rötzer) oder "Ich habe beim Lesen viel gelacht." (Margaux de Weck). Wobei ich Mme. de Weck ergänzen würde um "Ich habe beim Lesen viel gedacht." Denn Arndt ist mit diesem Wälzer etwas gelungen, das ich bisher für unmöglich gehalten hätte, nämlich als Deutscher ein Buch mit mehr als starkem, aber durchweg höchst delikatem Thomas-Pynchon-Geschmack zu schreiben. Wie der geniale Autor und Versteckspieler versteht es nämlich auch Arndt, bei im Grunde völliger Unlesbarkeit, auf jeden Fall aber kompletter Nicht-in-der-ganzen-Tiefe-Kapierbarkeit, den Leser trotz aller Verwirrung und Orientierungslosigkeit durchweg bei der (Lektüre)Stange zu halten. Man verschlingt die Seiten, versucht die Fetzen von Krimi, Dystopie, politischer Bildung und hanebüchenen (LSD-Trip)Reportagen zu verknüpfen und scheitert immer wieder grandios. Krimi, denn CivEx-Kommissar Hans Falck ermittelt wegen mehrerer Leichen (wobei CivEx die private Nachfolgeorganisation der Kriminalpolizei ist – der Roman spielt weitgehend 2022 und da ist sehr viel anders als heute. Nein, nicht anders – eher "realer".) Dystopie weil: der Neoliberalismus hat gesiegt, die Optimierer und die Irren regieren. Und klar, auch Politik – schließlich hat das alles irgendwie mit dem Giftgaseinsatz nach der Geiselnahme im Moskauer Dubrowka-Theater anno 2002 zu tun. Und mit Sitzungsprotokollen düsterer StaatsdienerBesprechungen oder Drehbüchern von TV-Polit-Talk-Shows. Dazwischen versuchen Q (dass der Satz eine recht eigenwillige "Q"-Letter verwendet, ist ein Fest für Freunde gepflegter VerschwörungsHysterie) und Ramzi (wer Q und Ramzi sind, kann ich hier jetzt wirklich nicht auch noch erklären) mit ihrem schrottreifem Auto einer arrogant-aggressiven KI in einem "Tesla Darkstar" (sowas wie die Verfassungsschutz-McKinsey-Variante von Hasselhoffs K.I.T.T.) zu entkommen, denn sie müssen doch Aktenumzug, -bereinigung, -manipulation und -vernichtung aufklären. Begleiten? Verhindern? Das geht buchstäblich nur unter Deutschland. Während über’m Tempelhofer Feld die AZOVA-Wolke schwebt. Die erinnert von fern an Corona, ist aber als Produkt von Hundeinsemination einer Tschetschenin, ungeklärtem Flugzeugabsturz und was weiß ich noch alles eher eine Biowaffe. Oder doch nicht? Das Online-Glossar (https://unterdeutschland.bbm.de) bietet nicht nur weitere rhizomatische Ansätze für neue DenkStränge, sondern kann auch gut als Appetizer für diese 520 Seiten bester Unterhaltung dienen. Und – wie bei Pynchon - bleibt die Frage: What is real?Weitere Infos: www.moxundmaritz.de
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