Dass sich hinter dem Namen Beirut der 20-jährige Amerikaner Zach Condon verbirgt, ist schon exotisch genug, stellt sich doch die Frage was hat ein Junge aus New Mexiko mit Balkan Folk am Hut. Richtig in Erstaunen versetzt wird man jedoch, wenn man sich seine Debut Scheibe ‚Gulag Orkestar‘ anhört. Exotischer Sound und eine wirbelnde, energiegeladene Atmosphäre ziehen einen in ihren Bann und man ist felsenfest davon überzeugt, einem mindestens 18-köpfigen Gypsie Orchester zu lauschen.
Tatsache ist, daß dieser schwelgerische Sound einzig von Zach Condon allein eingespielt wurde. Der schmächtige Junge, um den sich so viele Spekulationen ranken ist ein Multiinstrumentalist, der neben Akkordeon, Trompete, Mandoline, Klavier auch noch Ukulele und Percussions beherrscht. Es sei wie ein Rausch gewesen, so Zach. Es hört sich nicht besonders glaubwürdig an, dass diese opulenten Melodien und fesselnden Märsche in seinem Schlafzimmer aufgenommen wurden, „mit ein paar Mikrophonen und jedem erdenklichen Instrument, das mir in die Finger kam.“Nun, gut, was ein echter Maniac ist, und das scheint er wirklich zu sein, der bringt auch sowas zustande. Bleibt noch die Frage, wie er überhaupt dazu kam sich mit diesem Genre zu befassen. Es gibt die Version, dass der junge Mann auf Sinnsuche durch Europa streunte, seiner eigenen Melancholie und Verlorenheit folgend, schließlich der Schwermut des Balkans erlag. Tja, das wäre natürlich mal ´ne gute Story. Stimmt aber leider nicht. Wahr ist es, dass er in Europa war. Ganze vier Monate sogar. Vornehmlich verbrachte er diese Zeit jedoch in Paris, betrank sich und feierte Parties mit den Homis, wie man es als junger Ami in Europa eben so tut.
Nix mit Sinnsuche. Die Wahrheit sieht wohl so aus, dass er eines abends in dem Appartment eines Bekannten strandete und aus der Wohnung über ihm exotische Töne zu ihm heraufdrangen. Von Neugier getrieben, lief er in den zweiten Stock hinauf um herauszufinden was da los ist und traf wie das Schicksal so will auf einige serbische Musiker, dem Boban Markovic Orkestar.
Die baten ihn zu sich herein, und musizierten ihn mit ihm die ganze Nacht. Ja, so war das! Klingt doch auch nicht ganz so pathetisch wie die verlorene Seele. „Gulag Orkestar“ enthält im Wesentlichen, was er in dieser Nacht gelernt hat.
Letzten Winter zog es Zach aus dem heimischen Albuquerque nach Brooklyn, wo er einige Zeit in den Seaside Studios in Park Slope verbrachte.
Mit von der Partie waren Jeremy Barnes und Heather Trost von ‚A Hawk and A Hacksaw‘, die die Percussion übernahmen, die Condon ursprünglich nur mit einer Drum Machine eingespielt hatte. Sie sind auch für die wunderschönen Violinen verantwortlich, mit denen seine Stücke unterlegt sind.
Die New Yorker sind hin und weg von seiner Musik und feiern ihn als musikalische Ausnahmeerscheinung. Er sieht die Stadt mit ihrer Einzigartigkeit an kulturellen Einflüssen als Quelle neuer Inspiration.
„Wenn Du in manchen Teilen New Yorks unterwegs bist, wie beispielsweise in Brooklyn, dann hast Du das Gefühl in einer anderen Kultur zu sein. Das wird sich definitiv in meiner künftigen Arbeit bemerkbar machen.“
Vereinfacht könnte mann sagen, Beirut hört sich an wie Radiohead, versehen mit einer fetten Prise Balkan Orchester oder wie Rufus Wainwright, der sich zuviel mit Gogol Bordello rumgetrieben hat. Das alles würde ihm aber nicht gerecht werden, weil man von ihm eins ganz sicher behaupten kann, daß er orginell und einzigartig ist.
Was einem allerdings auffällt, ist, daß ein Instrument in seiner breitgefächerten Skala nicht auszumachen ist, nämlich die Gitarre. Das hat einen ganz pragmatischen Grund. Er brach sich mit 14 das Handgelenk und ist seither nicht mehr in der Lage um einen Gitarrenhals zu greifen. Zach Condon nimmt es gelassen: „Ich denke, das war im Nachhinein gut für mich!“
„Gulag Orkestar‘“ ist dazu gemacht, sich an einem trüben Winterabend, einen ordentlichen Schluck Wodka zu gönnen und sich mitnehmen zu lassen auf eine Reise ins Unbekannte. So hätte sich vor siebzig Jahren ein Abend Coney Island anhören können.
Aktuelles Album: Gulag Orkestar (Beggars/Indigo)
Foto: Danelle Manthey