Hamburg im Sommer. Auf der Reeperbahn wimmelt es von Touristen. Viele laufen den Kiez entlang zum Hafen, um dort Schiffe anzusehen. Eines, das Feuerschiff, beherbergt eine gemütliche Kneipe. In der Kajüte hinter dem Tresen wird diskutiert - der B.R.M.C. erläutert den Medien die Begriffe Rebellion, Kunst, Kommerz.
Die Touristinnen nippen am Wasserglas, während ihre bierseligen Begleiter wohl überlegen, wie sie für eine dreiviertel Stunde der Lehre des Horizontalen frönen könnten. „We´re all prostitutes!?“ Von wegen! Die Westzeit nutzt einen solchen Zeittakt für einen Kurzlehrgang in Rebellion. Peter Hayes (Git./ Voc./Bass/ Harmonika) eruiert dezidiert, wie das Gelddenken der Industrie die Kunst ruiniert, warum das Trio (Robert Turner - Bass/ Voc./ Keys/Git. - ist nicht anwesend) daher mit „Howl“ neue Wege beschritt. Nick Jago (Drums) beschränkt sich auf wenige Einwürfe - er hatte eine Auszeit von der Band, trommelte nur bei einem Stück des superben „Howl“. Hayes: „Wir hatten das Gefühl, Virgin mag uns nicht wirklich. Leider ist es so, dass die Industrie das schnelle Geld sucht, kommerzielle Musik erwartet. Wir fragten Virgin, ob wir aus dem Vertrag heraus dürften. Sie ließen uns gehen, dafür sind wir ihnen sehr dankbar! Das Label hatte noch einen Vertrag über 4 Alben, plus Option auf einen fünften Longplayer.“ Die Ideologie des Punk, der unabhängigen Musik ist sehr verwoben im Denken und Schaffen des B.R.M.C.! „Howl“ wird vom unabhängigen Label PIAS vertrieben. Die spirituelle, teilweise akustische Musik der neuen CD unterscheidet sich, subjektiv, sehr von dem schroffen, lauten, psychedelischen Sounds der beiden Vorgänger. Hayes: „Nein, unsere Musik hat sich eigentlich nicht geändert! Wir spielen diesen Stil seit unseren Anfängen. Einige der `Howl´-Titel, wie z.B. `Gospel Song´, sind bereits für unser erstes Album (VÖ 2002) geschrieben worden. `Complicated Situation´und `Shuffle Your Feet´ fanden damals ebensoweing Platz auf dem Debut. `Still Suspicion Holds You Tight´ stammt auch aus der Zeit, wir wollten es ursprünglich als Single-B-Seite verwenden. Für `Take Them On, On Your Own´ (2003) hatten wir andere Ideen, genug Material.“ Hayes ist sehr konzentriert, bemerkt sofort, als das Tape des Diktiergerätes stoppt (obwohl das analoge Band nicht sichtbar ist, kein Schalter klickt, herauspringt, oder sonstige Geräusche macht). „`Love Burns´ vom Debut war damals übrigens auch auf einer akustischen Gitarre komponiert worden. Anschließend elektrifizierten wir den Sound. Ich komme aus der Akustik-Ecke, meine musikalischen Roots habe ich mir dadurch erworben, dass ich in Coffeeshops auftrat. In diesen Shops spielte ich `Love Burns´, während die Leute Kaffee tranken, sich unterhielten. Wäre ich dort mit Band aufgetreten, hätten die Leute das Lokal verlassen, weil es zu laut gewesen wäre, um sich zu unterhalten!“Seine Musik soll für sich selbst sprechen, die Konsumenten sollen sie genießen. Und verstehen! „Letzte Nacht habe ich darüber nachgedacht, die Texte ins Deutsche zu übersetzen. Damit auch wirklich alle die Texte verstehen, würde ich sie sogar in die japanische, russische,... Sprache übersetzen lassen. Die Leute verstehen den Blues, die Seele in der Musik, die Worte sind schwerer zu erfassen.“ Die Unterschiede zwischen hiesigem Country und Americana werden diskutiert. Hayes: „Ich vergleiche diese Begebenheiten mit denen einer Farm. Ein deutscher Bauernhof ist anders strukturiert als eine amerikanische Farm. Aber bei beiden Institutionen pullern die Kühe, verstehtst Du? `Shower´and `shit´is the same anyway!“ Diese Leute geben definitiv kein Geld für Dosenbier oder Fliegenpilze aus! Hayes und Jago können sich kaum halten vor lachen. „Ernsthaft: Hiesige Folkmusik unterscheidet sich von der amerikanischen, dennoch ist es Folkmusik!“ Und auch irgendwie Rebellion. „Es war doch immer so. Wenn die Kinder musikalischer Eltern z.B. Schlagzeug spielen, Mutter und Vater begeistert sagen, `wow, großartig´, dann werden diese Kinder nie wieder Schlagzeug spielen. Das ist eine völlig normale, angeborene Reaktion., die allerdings im Laufe der Zeit heraustrainiert wird.“
Sind wir also alle normal? Wird fortan niemand mehr ungetröstet seiner Wege ziehen? „Howl“ ist zum heulen (positives Attribut!) schön! Überhaupt - das Leben ist schön! Auch, oder gerade, wenn ein Schiff vorrüberfährt!
Aktuelles Album: Howl (Echo / PIAS)
Weitere Infos: www.blackrebelmotorcycleclub.com