Nach 21 Tonträgern mit Hunderten von Songs, so sollte man annehmen, könnten sich doch irgendwann mal Abnutzungserscheinungen einstellen. Doch nichts da: Mit schönster Regelmäßigkeit schüttelt Jonathan Richman ein schräges Meisterwerk nach dem anderen aus dem Ärmel und immer noch scheint’s ihm Spaß zu machen. Vielleicht liegt das ja an der lockeren Herangehensweise?
„Weißt Du, ich plane nichts“, meint der Meister, "kein Konzert, keinen Song und keine CD - sondern ich nehme es immer wie es kommt. Wenn ich wieder mal 14 Songs oder so zusammen habe, rufe ich bei Vapor (dem Label) an und sage, daß ich eine Scheibe aufnehmen möchte. Dann gehen wir ins Studio und legen los.“Wir, das ist vor allen Dingen sein langjähriger Kumpel, der Drummer, Tommy Larkins und in dem Fall einige Gäste, darunter die beiden Bassisten Curly Keranen (von den Modern Lovers) und Miles Montabano.
„Es ist immer ein tolles Gefühl, mit alten Freunden zusammenzuspielen“, meint Jonathan, „und dieses Mal bin ich mit dem Ergebnis und dem Sound der Scheibe, die ich selber produziert habe, ganz besonders zufrieden.“
Was ist denn an dem Sound so besonders? Sehr viel anders als andere Richman-Scheiben klingt diese für den Zuhörer ja nicht.
„Das kann schon sein“, lacht Jonathan, „der Eine hört eben die Unterschiede, und der andere nicht. Ich finde, wir haben mit dieser Scheibe genau die Stimmung eingefangen, die unserem Gefühl entsprach.“Und das Gefühl, so verrät Jonathan, ist das Ausschlaggebende. „Unser Zusammenspiel im Laufe der Jahre ist immer besser geworden“, verrät er, „und es verändert sich auch ständig. Das ist auch der Grund, warum ich ältere Stücke neu einspiele. ‘Vincent Van Gogh’ gefiel mir in der alten Version nicht so gut, während ich unsere neue sehr gelungen finde. Nun ja, die letzte Version ist ja hoffentlich immer die Beste ...“
Warum klingen Jonathan Richman-Platten eigentlich immer so, als seien Sie im Vorbeigehen entstanden?
„Weil sie das sind“, räumt Jonathan freimütig ein, „manchmal machen wir nichts anderes, als einfach das Bandgerät einzuschalten und mitzuschneiden. Wenn dann alles stimmt, hast Du ein Ergebnis, wie Du es auf andere Weise nicht erreichen kannst. Das Entscheidende ist dabei immer, wie ich mich fühle. Nur darum geht es.“
Gilt das auch für politische Songs, wie z.B. ‘Abu Jamal’?
„Siehst Du, das ist ein perfektes Beispiel“, macht Jonathan deutlich, „das ist gar kein politischer Song. Er ist einfach so, wie ich fühle. Ich habe Abu Jamals Stimme mal im Radio gehört und das hat mich angesprochen. Ich habe mich dann ein wenig damit beschäftigt und herausgefunden, daß der Mann wohl unschuldig im Gefängnis sitzt und daß sogar ausländische Regierungen sich für seine Freilassung einsetzen. Aber darum ging es mir nicht. Ich wollte einfach einen Song über einen Mann im Gefängnis machen und das Gefühl, was das mit sich bringt.“
Und was ist mit der Musik? Warum klingt die z.B. immer europäischer?
„Ich war immer schon ein Eurofan“, meint Jonathan, „und es gibt immer Dinge, die man in einer anderen Sprache besser ausdrücken kann. Deswegen singe ich auch mal in spanisch, italienisch und französisch. Obwohl ich das nicht unbedingt fließend spreche. Und musikalisch lasse ich mich auch gerne inspirieren, z.B. von kontemporärer, spanischem Flamenco-Pop.“
Jonathan Richman, so scheint es, ist jemand, der sich die Begeisterung für seine Musik erhalten konnte und dank seiner vergleichsweise unbekümmerten Art immer wieder auch Lohnenswertes für sich entdeckt, daß ihn inspiriert, weiterzumachen. Im Zeitalter des amtlichen Zynismus ist das sicherlich viel wert.
Aktuelles Album: Not So Much To Be Loved As To Love (Sanctuary)