Charley Crockett macht, was er will. Mehr als ein Dutzend Platten hat der weitgereiste Texaner in den letzten 15 Jahren bereits veröffentlicht, doch obwohl er in der amerikanischen Heimat in der Country-Szene inzwischen längst beim Konzert der Großen mitspielt, will er sich nicht auf seinen Lorbeeren ausruhen. Erst im April wurde das in den allerhöchsten Tönen gelobte Album ´$10 Cowboy´ veröffentlicht, und jetzt, kaum sechs Monate später, erscheint der Nachschlag ´$10 Cowboy Chapter II: Visions Of Dallas´ auch auf Vinyl und CD – ein feines Cover von Johnny Cashs ´(Ghost) Riders In The Sky´ aus dem ´Twisters´-Soundtrack inklusive. Höchste Zeit, uns mal mit Mr. Crockett zu unterhalten.
Unkonventionell und authentisch – mit diesen zwei heute selten gewordenen Merkmalen als Markenzeichen hat Charley Crockett keine Mühe, sich vom behäbigen Allerlei abzusetzen, das heute die kommerzorientierte Country-Szene in den USA beherrscht, ohne deshalb engstirnig oder eigensinnig nur auf sich selbst fokussiert zu sein. Auch mit dem unter Live-Bedingungen im Studio eingespielten ´$10 Cowboy´-Doublefeature zeigt sich der 40-jährige Tausendsassa als kluger Beobachter eines sich immer schneller von seinen alten Werten entfernenden Amerika und macht sich so zu einem Chronisten einer gespaltenen Gesellschaft, wenn er von Verlieren, Einsamkeit und dem drohenden Kollaps singt.Es sind Songs, die nicht zuletzt durch Erfahrungen befeuert werden, die er am eigenen Leib gemacht hat.
"Musik war und ist für mich das Mittel, um über die Runden zu kommen", sagt Crockett beim Videocall mit der WESTZEIT. "Anfangs habe ich die Musik dazu genutzt, das zu heilen, was mich krank gemacht hat, und das hat mich weit gebracht."
Fragt man Crockett nach der wichtigsten Lektion, die er auf seinem langen, harten Weg zum Erfolg gelernt hat, dann erinnert er sich an seine frühesten Tage als Busker.
"Als ich herausfand, wie ich an einer Straßenecke überleben kann, als ich gelernt habe, hinter meiner Gitarre zu stehen, wie es im Titelsong der letzten Platte heißt, da wusste ich: Das ist, was ich bin, das ist das, wozu ich gemacht bin!", gesteht er. "All diese Jahre später gilt das noch immer. Ich habe viel mehr Verantwortung, und es gibt viel mehr Leute, die von mir abhängig sind, aber ich bin noch derselbe $10-Cowboy, der damals von der Hand in den Mund gelebt hat."
Dass er nun gleich zwei Platten innerhalb weniger Monate veröffentlicht, war nicht geplant, aber ohne uns wiederholen zu wollen: Charley Crockett macht, was er will.
"Wir haben die Songs während der gleichen Sessions wie ´$10 Cowboy´ in den Arlyn Studios in Austin aufgenommen", erklärt er. "Wir hätten ein Doppelalbum veröffentlichen können. Aber dann schrieb Taylor Grace ´Visions Of Dallas´ in einem Hotelzimmer mit Blick auf diese Stadt. Sie dachte über meine Beziehung zu Dallas und dem großartigen Staat Texas im Allgemeinen nach und schlug vor, ein zweites Album zu machen, auf dem alle Songs einen Bezug zu Dallas und Texas haben. Das Ergebnis ist ´Visions Of Dallas´."
Mit beiden Platten gelingt ihm das Kunststück, mit Oldschool-Vibes zwischen Country, R’n’B und Soul zu glänzen, ohne allein in der Vergangenheit zu verharren. Ein großes Erfolgsgeheimnis verbirgt sich allerdings nicht dahinter.
"Als ich mit der Musik anfing, habe ich nie Gedanken an bestimmte Genres und Stile verschwendet!", verrät er. "Ich bin damit aufgewachsen, Radio zu hören, und da gab es alles: Pop, Hip-Hop, Rock, Punk und Oldies. Ich habe mir einfach immer alles rausgepickt, was mir gefiel, denn die Idee, dass ich eines Tages in Kategorien gesteckt werden würde, ist mir nicht in den Sinn gekommen, bis ich irgendwann meinen ersten Bookingagenten hatte!"
Die üblichen Genreschubladen sind für ihn heute immer noch Schall und Rauch:
"Nimm doch nur mal Waylon Jennings oder Johnny Cash, das sind völlig verschiedene Künstler, auch wenn sie beide unter Country laufen! Das Gleiche gilt beim Soul für Ray Charles und James Brown oder in der Rock-Welt für die Rolling Stones, Led Zeppelin oder Creedence Clearwater Revival. Sie alle sind unglaublich eigenständig, auch wenn ihnen die gleichen Etiketten angeheftet werden."
Der Schluss, den Crockett daraus für sich zieht, ist denkbar simpel:
"Wenn du echt bist, werden die Menschen dir glauben!", sagt er bestimmt. "Dann geht es weniger um bestimmte Genres, sondern eher darum, wer du als Mensch bist. Alles, was ich tun kann, ist, so viel wie möglich von mir in meine Musik zu stecken!"
Aktuelle Alben: $10 Cowboy / $10 Cowboy Chapter II: Visions Of Dallas (Son Of Davy / Thirty Tigers / Membran)
Weitere Infos: charleycrockett.com Foto: Brooks Burris