Die Isle Of Wight gehört ja spätestens seit den legendären Festivals Ende der 60er Jahre auf die musikalische Landkarte Europas. Die Tradition der Festivals wurde nach 32 Jahren Pause bereits 2002 wieder aufgegriffen – aber parallel dazu entwickelte sich auch eine gesunde Musikszene auf der Insel, zu deren bekanntesten Vertretern vielleicht Level 42 - und für die Indie-Welt Paul Butler und The Bees - gehören. Rhian Tisdale und Hester Chambers a.k.a. Wet Leg kommen auch von der Isle Of Wight. Und obwohl Rhian inzwischen in London wohnt, entstanden die Songs des nun vorliegenden, selbst betitelten Debüt-Albums tatsächlich auch in der Abgeschiedenheit des legendären Insellebens.
Die Welt von Wet Leg ist vor allen Dingen eines: Quietschbunt. Sowohl, was die haarsträubend ulkigen Videos angeht, wie eigentlich auch, was den unkonventionell aus allen Ecken der Musikhistorie zusammengesuchten New Wave Pop Soundmix des inzwischen zur Band aufgebohrten Duos betrifft. Auch die Lyrics sind ziemlich assoziativ und phantasievoll angelegt. Worüber singen Wet Leg eigentlich? Sind die Worte bewusst gewählt oder spontan entstanden, ist das mehr so eine Stream-Of-Consciousness-Geschichte oder Gebrauchspoesie?„Ich denke es trifft alles zu, was Du gerade aufgezählt hast“, meint Rhian, „es gibt schließlich mehr als eine Art, die Sache anzugehen. Manchmal ist es eben ein Gedankenfluss – manchmal aber auch autobiographisch. Zuweilen ist es auch ganz ungeplant das, was einem gerade in den Sinn kommt und sich festsetzt."
„Manchmal erschaffen wir aber auch eine ganze fiktionale Narrative“, wirft Hester ein, „das macht so viel Spaß, weil man einfach machen kann, was man will."
„Wahrscheinlich ist die Isle Of Wight ja nicht gerade der spannendste Ort der Welt“, gibt Rhian zu bedenken, „da musst Du Dir schon eigene Geschichten einfallen lassen."
War das Album denn irgendwie von der Pandemie-Situation betroffen?
„Ja, das ganze Album wurde während der Pandemie geschrieben“, bestätigt Rhian, „alleine durch die Tatsache, dass wir waren, wo wir waren, hatten wir ja eine gewisse Auszeit in unseren Jobs zur Verfügung, die es uns ermöglichte, die Musik zu machen."
Mal abgesehen vom Spaßfaktor: Wonach suchen Wet Leg denn, wenn sie zusammen musizieren? Was macht einen guten Song aus?
„Etwas, das Dich zum lächeln bringt“, überlegt Rhian, „wenn es da etwas gibt – zum Beispiel textlich - was es vorher noch nicht gegeben hat, mit dem ich mich aber identifizieren kann, dann macht das einen guten Song aus."
Und auf der musikalischen Seite? „Das ist wirklich eine schwierige Frage“, wirft Hester ein, „weil es so viel gibt, was Du machen kannst."
„Und wenn wir die Antwort auf diese Frage wüssten, dann würden wir ja einfach nur brillante Songs machen. Aber selbst wenn wir die musikalischen Komponenten kennen würden – einen massiven Refrain, ein klimatisches Ende, bestimmte Akkordfolgen - dann würde das ja immer noch nicht garantieren, dass dabei ein guter Song rauskommt."
Hester gibt noch etwas zu bedenken: „Es kommt ja auch auf die Stimmung an. An einem Tag möchte man vielleicht grooven – an anderen aber Henry Mancini hören. Es ist alles sehr subjektiv."
Was ist denn das Ziel von Wet Leg? Vielleicht die Magie in der Musik zu suchen?
„Ja, sicher“, räumt Rhian ein, „aber nach der Magie zu suchen ist ja eine sehr vage Sache, wenn es darum geht, ein Ziel zu formulieren. Es ist ein so gutes Gefühl, wenn man einen Song überhaupt zu Ende bringt. Das ist, wie mit den Hausaufgaben für Deinen Lieblingslehrer fertig zu werden."
„Am Anfang ist es immer schön, wenn wir alle verrückt sind und wirklich wilde Sachen spielen können“, berichtet Hester, „und wenn dann alles seinen Platz im Song findet und man dann ist das eine Bestätigung für uns. Und wir wussten ja, dass wir es sowieso auf diese Weise machen würden."
Den Weg in die USA haben Wet Leg ja bereits fest im Blick und bei Jools Holland sind sie auch schon aufgetreten. Wie sieht denn wohl die musikalische Zukunft von Wet Leg aus?
"Just got to ride it“, meint Rhian, „auch ich weiß nicht. Wir haben ja schon keinen Plan für diese Scheibe gehabt. Unsere Band haben wir ja nur gegründet, damit wir auf Festivals auftreten könnten. Und nun, da wir es geschafft haben, gibt es so viele aufregende Dinge zu tun, dass wir die Zukunft nur von Tag zu Tag angehen können - denn ansonsten wäre es einfach alles zu überwältigend."
https://www.wetlegband.com/
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Aktuelles Album: Wet Leg (Domino / Rough Trade)
Foto: Hollie Fernando