Auf ihrem neuen Album ´In Your Hands´, das nun mit etwas Verspätung auch endlich auf Vinyl erscheint, zeigen sich Lewsberg von einer etwas anderen Seite. Ohne Schlagzeug, dafür aber des Öfteren mit Violine, tauscht die für die Aufnahmen zum Trio geschrumpfte Band aus Rotterdam rasantes Tempo gegen hypnotische Entschleunigung ein und hüllt dabei ihre ungebrochene Liebe zur Monotonie der Velvet Underground und stoischem Sprechgesang in spürbar gedämpftere Farben als auf den beiden Vorgängerwerken ´Lewsberg´ (2018) und ´In This House´ (2020).
So anders ´In Your Hands´ im ersten Moment auch klingt: Eine Abkehr von alten Tugenden ist das dritte Lewsberg-Album nur bedingt, denn inzwischen haben Gitarrist und Sänger Arie van Vliet, Bassistin und Sängerin Shalita Dietrich und Gitarrist Michiel Klein mit Marrit Meinema eine neue Schlagzeugerin gefunden, die bereits auf der ebenfalls diesen Monat erscheinenden 7“-Single ´Six Hills´ zu hören ist und beim Traumzeit-Festival in Duisburg im Juni zu sehen sein wird. Fast möchte man deshalb glauben, dass die leiseren Songs und der gewissermaßen Wohnzimmer-freundlichere Sound von ´In Your Hands´ COVID-19 und den dadurch eingeschränkten Möglichkeiten, als laute Rockband zu agieren, geschuldet ist, aber das entspricht nicht ganz der Wahrheit.„Ich denke, die Richtung, in die die neuen Songs gehen, stand schon vor dem Ausbruch der Pandemie fest“, erklärt Arie beim Treffen mit der Westzeit vor dem Lewsberg-Konzert in der Düsseldorfer Kassette. „Ohne Schlagzeuger zu spielen, das ist irgendwann während der Pandemie passiert, aber ich denke, der Hauptgrund, warum wir uns dazu entschieden haben, war die klangliche Ausrichtung der Songs. Das war also eher Zufall.”
„Ja, genauso war es Zufall, dass unsere zweite, im März 2020 erschienene Platte ´In This House´ hieß, was viele Leute sehr visionär fanden!“, ergänzt Michiel mit einem Lachen. „Das war natürlich auffällig, aber es war Zufall, und so war es auch bei der neuen musikalischen Ausrichtung. Wir hatten schon immer ruhigere Songs, schon auf der ersten Platte und auch bei Live-Shows, und es ist uns sehr wichtig, dass unser Sound verschiedene Facetten besitzt. Nachdem wir zwei Alben in einem bestimmten Stil gemacht hatten, wollten wir den ruhigeren Songs mehr Raum geben – auch wenn natürlich andere Sachen drumherum passieren können."
Eine der „Sachen, die drumherum passieren“, ist die Violine, mit der die Zartheit, die Zerbrechlichkeit der neuen Lieder wirkungsvoll akzentuiert wird. Tatsächlich spielt Arie schon lange Geige, die Idee, dies auch im Bandsetting zu tun, wäre ihm aber früher nie in den Sinn gekommen.
„Ich habe wirklich nie darüber nachgedacht, in einer Band Geige zu spielen“, gesteht er. „Am Anfang war es schon ein kleiner Kampf, nicht während der Aufnahmen, sondern auf der Bühne. Ich fand es ein bisschen schwierig, bei den Konzerten Geige zu spielen, wenn auch nur bei den ersten zwei, drei Shows. Die Gitarre fühlt sich manchmal wie ein Schild an, den man vor sich hat, aber wenn man eine Geige unter dem Kinn hat, hat man überhaupt keine Verteidigung, das war und ist immer noch ein kleiner Unterschied, aber jetzt gefällt es mir, so nackt auf der Bühne zu stehen.“
Sorgten zuvor Lautstärke und nicht zuletzt das Schlagzeug für einen kompakten, homogenen Sound, gewinnt auf ´In Your Hands´ jedes Element, jedes Instrument mehr Bedeutung. Schien der Sound der Band zuvor eher horizontal angelegt zu sein, wirkt er nun eher vertikal, ein Eindruck, der auf der Bühne zusätzlich dadurch verstärkt wird, dass die drei Musikerinnen und Musiker bei ihren Trioauftritten nah am Bühnenrand nebeneinanderstehen.
„Ich habe mir dazu noch nie wirklich Gedanken gemacht, aber ich denke, dass das bereits früher Teil unseres Prozesses war, dass wir alle sehr, sehr minimale Parts beisteuern – wirklich trockene Parts ohne viele Effekte“, sagt Michiel. „Das ist ´what you see is what you get´, aber am Ende, wenn alles zusammenkommt, wird daraus etwas, das größer ist als die Summe seiner Teile. Es ist uns aber auch wichtig, diese Parts zu zeigen und nichts zu verbergen. Große Lautstärke verändert die Wahrnehmung, wie man die Musik hört, und das Gleiche gilt auch für die leiseren Songs, es hat nur eine andere Wirkung. Es ist die gleiche Arbeitsweise, die gleichen Zutaten und die gleiche Art zu spielen, aber das Leise bringt all das einfach auf eine andere Art und Weise zum Vorschein.“
Eine Zutat, die Lewsberg immer schon sehr wichtig war, aber nun im reduzierten Klangkostüm zusätzlich an Bedeutung gewinnt, sind die grüblerischen, bisweilen schwarzhumorigen Texte. Trotzdem hat das nicht zu einer grundlegend neuen Herangehensweise geführt, wie Arie abschließend erklärt:
„Ich versuche immer, ein Licht auf Dinge zu werfen, die sonst verborgen oder dunkel geblieben wären. Ich schaue gerne auf die kleinen, die unwichtigen Dinge und ich denke, das war schon immer so. Die Themen sind über die Jahre mehr oder weniger gleich geblieben, aber auf den ersten beiden Alben hatte ich etwas mehr Distanz dazu. Bei den Songs des neuen Albums habe ich das Gefühl, dass ich immer noch dieselben Themen beschreibe, aber ich bin jetzt einfach näher dran."
Aktuelles Album: In Your Hands (Lewsberg/Cargo) VÖ 01.04.
Weitere Infos: www.lewsberg.net Foto: Els Kuijt