Die Sterne bestehen nur noch aus Frontmann Frank Spilker, der nun mit ´Die Sterne´ ein formidables wie frisches neues Album veröffentlicht. Die Sterne, jene weithin hochgeschätzte Indie-Pop-Band, die zwar nie ganz die kommerzielle Flughöhe der Hamburger-Schule-Kollegen Tocotronic erreichte, sich mit dem Song ´Was hat dich bloß so ruiniert?´ aus dem im Jahr 1996 erschienenen Album ´Posen´ jedoch unsterblich machte, ist jetzt eigentlich nur noch ein Stern.
Lediglich Sänger und Texter Frank Spilker (auch schon fast 54) ist noch übrig, die Gründungsmitglieder Bassist Thomas Wenzel und Schlagzeuger Christoph Leich haben die Band nach der großen Jubiläumstournee unter dem Titel “Mach’s besser – 25 Jahre“ hingegen verlassen.„Die Trennung war ein schleichender Prozess, der nicht von heute auf morgen passierte“, sagt Spilker. Bereits beim 2014 veröffentlichten Sterne-Album ´Flucht in die Flucht´ habe er vieles alleine gemacht. „Man muss respektieren, dass sich Lebensumstände ändern. Einerseits ist es schade, andererseits ist so eine Entscheidung auch eine Art von Befreiung. Für mich stand nach einer Phase des Abwägens fest, dass ich mit den Sternen weitermache.“
Spilker hat sich neue Leute geholt, die dem Sterne-Sound tatsächlich ordentlich frisches Leben eingehaucht haben. Schlagzeug und Bass spielen nun Jan Philipp Janzen und Phillip Tielsch von der Kölner Indie-Band Von Spar, zudem sind das Kaiser Quartett, die Düsseldorf Düsterboys und Disco-Fachmann Carsten ´Erobique´ Meyer mit an Bord.
„Ich habe das starke Gefühl, dass ´Die Sterne´ nicht nur ein Album, sondern wirklich auch ein Sterne-Album ist“, so die Überzeugung Spilkers. Er hat eine kesse und stilistisch geradezu vogelwilde Platte aufgenommen. So mancher der Songs ist schräg, aber zugleich eingängig. ´Der Sommer in die Stadt wird fahren´ zum Beispiel. Prägend für die Nummer ist so ein lebensleichtes 70er/80er-Jahre-Gefühl, das an den Sound italienischer Disco-Nummern angelehnt ist und, etwas vereinfacht gesagt, davon handelt, dass der Protagonist des Songs auf den Frühling wartet, weil der Winter ihn ankotzt.
„Auf einer tieferen Ebene geht es darum, Strategien zu entwickeln, um negative Gefühle zu besiegen.“
Inhaltlich zur Gänze unbeschwert dagegen ist das augenzwinkernd-trotzige ´Du musst gar nix´ - ein zackig-flottes, lustiges Lied, das sieben Minuten lang dem Eskapismus huldigt.
„Wer will, kann den Song auch als Absage an alle Bestrebungen des Optimierungswahns sehen, aber eigentlich ist er hauptsächlich zum Tanzen gedacht.“
Auch sehr geglückt sind das stilistisch an die Flaming Lips erinnernde ´Hey Dealer´ und das wortgewaltige ´Der Palast ist leer´, in dessen langem Text Frank Spilker ein paar Oberschichtsklischees mit einer, wie er sagt, „klassischen Verlusterfahrung“ vermischt. Nämlich?
„Die Kinder sind erwachsen, ziehen aus, die Wohnung ist zu groß. Das Reich ist noch da, aber niemand mehr übrig zum Regieren.“
Im realen Leben sei der Auszug der zwei Spilker-Kinder undramatisch verlaufen.
Doch dann ist Schluss mit lustig. Im ernsteren zweiten Teil von „Die Sterne“ macht Spilker seinen Standpunkt zur gegenwärtigen politischen Situation sehr deutlich. Und zwar sowohl auf punkige (´Die Message´) als auch auf ernsthaft-wachrüttelnde, vor den Dämonen der Geschichte warnende (´Wir kämen wieder vor´) Weise. Oder aber auch verkleidet in einen formidablen Funk-Rhythmus (´Die besten Demokratien´).
„Ich wollte speziell diese Songs anregend gestalten“, sagt Spilker. „Jeder kann und sollte sich selbst die Frage stellen, ab welchem Punkt er nicht mehr dabei ist, wenn die Gesellschaft immer weiter nach rechts rückt.“
Für ihn selbst sei die Grenze erreicht, „wenn die Gleichheit der Menschen infrage gestellt wird. Denn das ist für mich zivilisationskritisch. Man kann nicht mehr darauf bauen, die Rechten mit Argumenten zurückzuholen. Sondern sollte ihr Tun hart und konsequent ahnden.“
Und die alten Nummern? Werden weiter gerne gespielt.
„Wir alle in der Band, auch die neuen Musiker, finden die Klassiker toll. Es ist ein Geschenk, Hits wie ´Was hat Dich bloß so ruiniert?´ oder ´Trümmer´ zu haben. Wie alt die sind, ist doch egal. Hauptsache, sie sind gut.“
Was auch für Frank Spilker als solchen gelte. „Unsere Musik gaukelt erst gar keine Jugendlichkeit vor. Sondern bildet immer tatsächliche Lebenswirklichkeit ab. Ich wäre nicht der erste, der das auch mit 70 noch macht.“
Aktuelles Album: Die Sterne ([PIAS] Recordings)
Foto: Brigitta Jahn