Livingston ist jetzt keine Band, die man jemandem erklären muss. Meiste reicht es an ihren Hit „Broken“ zu erinnern und die Umstehenden nicken wissend. Doch wo ist sie hin die international bunt gemischte Truppe? Die zunächst von Südafrika nach London und schließlich nach Berlin zieht. Die mit einem Vertrag mit einer großen Plattenfirma durchstartet, weil sie ohne wenn und aber ihre Musik macht. Die ist randvoll mit Emotionen und bezaubert. Beim zweiten Album lassen sich Jungs von der Plattenfirma beschwatzen, die Musik den vermeintlichen Erfordernissen des Radioformats anzupassen. Die Platte wird nichts, weil Livingston nicht mehr Livingston sind. Die Band und die Plattenfirma trennen sich.
Große Zerreißprobe„Es sind schon ganz andere Bands an kleineren Einschnitten gescheitert“, gibt Gitarrist Jakob Nebel zu bedenken, „für unseren angestammten Schlagzeuger beispielsweise war die Zerreißprobe einfach zu groß, er verließ die Band. Für die Anderen war Grund genug, im gemeinsamen Boot noch enger zusammenzurücken und das Sinken zu verhindern.“
Dann gehen alle Beteiligten in sich und wissen sofort, was sie nicht mehr wollen. Sich verbiegen und sich irgendwelchen fremden Diktaten beugen. Livingston besinnen sich auf ihre Fähigkeiten. Auf das, was die erste Platte so groß gemacht. Das war einfach Musik und nichts, als Musik.
„Als wir das erkannt hatten, wollten und konnten wir sofort wieder schreiben. Und taten es auch“, erinnert sich Jakob Nebel, „doch mussten wir schon feststellen, die instinktive Sicherheit beim Schreiben war angeknackst. Aber auch dafür hatten wir eine Lösung. Die bewusste Abschottung von allem und jedem.“
Der Spreewald scheint weit genug weg und gleichzeitig nah genug an Berlin zu liegen. Dort wird ein Häuschen gesucht und gemietet, um anschließend mit Instrumenten und Rechnern vollgestopft zu werden.
„Die Musik floss plötzlich wieder aus uns heraus“, fährt der Gitarrist fort, „ich habe am Rechner angefangen zu schreiben und von meinem Laptop das Erarbeitete an die Laptops der anderen Musikern geschickt. Unmittelbar war kreative Reaktion da und machte dann die Runde.“
Als die erste Phase in der Einsamkeit vorüber ist, wird schon der Plan für die nächste Phase der Isolation geschmiedet. Als die Platte „Animal“ im Kasten ist, blicken Livingston auf insgesamt neun dieser Phasen zurück.
Rückkehr der Emotion
Zwei wichtige Arbeitsprinzipien haben sich gleich im ersten Durchlauf heraus kristallisiert.
„Es wurde beschlossen, niemandem, aber auch niemandem außerhalb des Musikerkreises von Livingston etwas von den neuen Klängen vorzuspielen“, nimmt Jakob Nebel den Gesprächsfaden wieder auf, „weder den Familien, noch dem Management und einen Produzenten gab es nicht, das haben wir selbst erledigt. Wir wollten ausschließlich auf uns allein gestellt sein.“
Das zweite Prinzip, was sich als sehr wichtig erweisen sollte, ist das, dass Livingston fast in einem Rutsch geschrieben, aufgenommen und das Stück dann noch gemischt haben.
„Um autark zu sein und niemanden involvieren zu müssen, haben wir sogar viel Geld einen richtig großen Rechner investiert.“
Das es Livingston bei all’ dem, was sie kreativ gefertigt haben, darum ging, sich kompromisslos wieder selbst zu entdecken, haben sie auch keinen Gedanken daran verschwendet, wie das geschaffene Werk denn wohl auf der Bühne klingen könnte? Deshalb gibt es momentan die Phase zehn, da wird aus dem großen Klangvolumen, das Unverzichtbar herausgefiltert und geprobt.
„Denn wer geht schon in ein Konzert, damit ihm eine Band die letzte Platte Ton für Ton vorspielt?, fragt Jakob Nebel eher rhetorisch, „und auf eins können sich auch die alten Fans freuen, ‚Broken’ steht nach wie vor auf der Stückliste.“
Mit „Animal“ liegt jetzt als drittes Album das vor, was eigentlich hätte das zweite werden können. Darauf haben Livingston zur großen Emotion zurück gefunden. Zudem hat der Hörer das Gefühl, dass das, was gesagt wird, niemand treffender hätte ausdrücken können. Wenn das übermäßig verschwendete Attribut „ehrlich“ mal haargenau passt, dann auf Livingstones Album „Animal.“
Aktuelles Album: Animal (Long Branch Records / SPV)