Wenn eine Band aus dem Stand heraus mit ihrer ersten Platte sehr erfolgreichreich ist, kommt nach einer gewissen Zeit der Moment, wo es sie ermüdet, langweilt und was weiß ich noch, live immer wieder die gleichen Stücke zu spielen, die da auf der Setlist stehen. Im Falle dieser Truppe sind es 14. Sie kommt aus Chemnitz. Und klar, es geht um Kraftklub.
Kramen in den PlattenkistenDoch haben Kraftklub nicht vergessen, dass auch das Aufnehmen neuer Lieder unbändigen Spaß bereiten kann. Dazu müssen allerdings neue Stücke her. Das wiederum ist im Falle von Kraftklub nicht so richtig schwer.
„Nach der ewigen Tourneestrecke wieder zuhause angekommen, müssen wir nicht zunächst mal auf Abstand gehen, wie es einige Bands offensichtlich tun müssen“, erklärt Felix Brummer, in dessen Personalausweis Felix Kummer steht, „wir kennen uns seitdem wir kleine Kinder sind, ich wüsste auch gar nicht, wen ich sonst anrufen sollte, als einen der Kollegen aus der Band.“
Damit die neunen Lieder wachsen und gedeihen können, kramen die Jungs erstmal in ihren Plattenkisten und spielen sich gegenseitig die Musik vor, die für den jeweils gerade ganz weit vorn ist.
„Felix Brummer hat beispielsweise Portugal The Man angeschleppt“, erinnert sich Karl Schumann, Gitarrist und weiterer Sänger von Kraftklub. „Es ist einfach so, wenn du permanent deine eigene Musik spielst, kriegst du Sehnsucht nach Musik von anderen“, fügt Felix Brummer an. Anschließend folgte nicht etwa eine lange und breite Diskussion, in was für eine Richtung Kraftklub denn zukünftig Musik machen wollen.
„Wir sind einfach in den Proberaum gegangen und haben einfach weiter gemacht. Einfach weiter unsere Musik gemacht“, erläutert Felix Brummer weiter.
Kraftklubs Zitatenschatz
Einfach weiter so stimmt ja wohl nicht so ganz. „Ja, wir geben es gleich zu“, fährt Felix Brummer fort, “ein bisschen mehr Rock haben wir diesmal schon aufgetischt, aber nicht so den modernen Indierock. Eher so das alte Zeugs bis hin zu Glamrock.“
Ähnlich, wie auf der ersten Platte verstreut Reminiszenzen an Becks ´Loser´ oder an The Hives zu finden sind, lässt sich auch auf dem aktuellen Krafklub-Album ´In Schwarz´ ein großer Zitatenschatz aufspüren. „Wir haben schon immer gerne einen großen Jux daraus gemacht kleine Referenzen zu verstecken“, lacht Bassist Till Brummer (ja, der heißt in echt auch Till Kummer), „wir schrecken weder vor textlichen Anspielungen noch vor musikalischen zurück. Wer haben uns auch in der Vergangenheit schon immer scheckig gelacht, wenn jemand auf uns zu kam und uns entgegenschleuderte, ‚ihr klingt doch wie The Hives.’ Wir fanden The Hives zugegebenermaßen noch nie blöd. Das ist doch eine spitzenmäßige Band.“
„Sollten nicht viel mehr Bands klingen wie The Hives?“, wirft Karl Schumann noch schnell ein. Doch zurück zu den Zitaten auf ´In Schwarz´. Jede Menge Glamrockgitarren à la The Sweet sind auszumachen, aber ganz klar klingt sich im Stück ´Deine Gang´ Norman Greenbaums ´Spirit In The Sky´ wider.
Charme des alten Klassenzimmers
Wenn Kraftklub dann in die heiße Kompositionsphase einsteigen, dann passiert das in einem alten Klassenzimmer in Chemnitz.
„Ein Klassenzimmer ist es schon“, flicht Till Brummer ein, „aber ansonsten ist es eher ein nach Bier stinkender, viel zu warmer Schwitzkasten voll gestopft mit Ausrüstung bis unters Dach.“
Kraftklub sind also eine klassische Proberaum-Band, wie sie heutzutage selten zu finden ist, wo doch jeder mit seinem Laptop im Schlafzimmer aufnehmen kann und es auch tut.
„Das wäre nie und nimmer etwas für uns, wir müssen uns in gegenseitig in die Augen schauen und uns gegenseitig mit unserer musikalischen Ideen überraschen können“, sagt Felix Brummer. Die angesprochenen musikalischen Ideen stammen häufig aus der Feder von von Karl Schumann und Steffen Israel (der Steffen Tidde als echten Namen trägt).
„Ja und dann wird gespielt, gespielt und gespielt“, sagt der Frontmann weiter, „immer nach der Prämisse, alle müssen es cool finden. Ausnahmslos. Und gab es mal Zweifel an einer Passage, oder daran, wie sie gespielt werden sollte, haben wir uns immer vorgestellt, wie wir es live machen würden. Dann war die Sache entschieden.“
Apropos Entscheidungen, generell kann wohl gesagt, werden, dass es vergleichsweise einfach ist, ein Stück zu beginnen. Eins zu beenden, aber deutlich schwieriger. „Da ist eine Stück auf der Platte, das dauert keine drei Minuten - acht Takte Strophe, vier Takte Refrain und noch mal acht Takte Strophe, Bridge, Refrain - fertig“, reflektiert Felix Brummer, „das erscheint doch so einfach, oder? Und warum haben wir zwei gebraucht und immer wieder neu angefangen? Und was ist es jetzt? Nicht mehr, als ein banales, kleines Stück Popmusik.“
Dänische Wochen
Diesmal haben sich Kraftklub für die Platte ´In Schwarz´ einfach mal Zeit gelassen.
„Die haben wir genutzt, um einiges auszuprobieren“, nimmt Klar Schumann den Gesprächsfaden wider auf, „so sind wir im Vorfeld der Plattenproduktion auch weggefahren. Nach Dänemark in die Puk-Studios.“
Das ist ein Studiokomplex in Jütland mit Tageslichtstudios mit jeder Menge entspannendem Ambiente drumrum, etwa Swimming Pool oder Jacuzzi.
„Ansonsten hatten die Studios ihre besten Zeiten in den späten 1980er- und frühen 1990er-Jahren“, fährt der Sänger fort, „Depeche Mode und Elton John haben dort aufgenommen. Aber auch Leningrad Cowboys, Judas Priest oder The Sisters Of Mercy.“
Kraftklub haben in den Puk-Studios wohl eher den rockigeren Geist eingeatmet.
„Irgendwie schon, ja. Inzwischen ist das Studio jedoch ziemlich runtergekommen, hat aber immer noch wunderschöne Räume und einen super Klang“, lässt Karl Schumann wissen, „wir fanden Klang besonders fürs Schlagzeug und für die Gitarren spannend. Ansonsten haben wir einfach mal rumprobiert.“
Vieles aus dieser Probierphase hat es sogar auf die Platte geschafft.
„Wir haben wirklich viel Unsinn gemacht“, bestätigt Till Brummer, „bis hin zum Einsatz einer Bohrmaschine, die bei der harten Nummer mit Casper immer noch zu hören ist.“
Keine Erklärbären
Hört man sich die Texte von Kraftklubs neuem Album an, gibt es doch da so einige, die eine ironischen Unterton nicht verbergen können. Aber einer lässt besonders aufhorchen und zwar gleich der des ersten Stückes ´Unsere Fans´. Heißt es doch dort, „da ging es um Ideale/da ging es um die Sache/ ... doch alles, was sie mitgeschrieen haben, war gelogen/die sind doch mittlerweile alle nach Berlin gezogen/ ... unsere Fans haben sich verändert/unsere Fans haben sich verkauft/unsere Fans sind jetzt Mainstream/ ... unsere Fans waren mal dagegen/die wollten nicht gefallen/.
„Ich finde die Vorstellung ungeheuer lustig, dass es Fans gibt, die sich ernsthaft angegriffen fühlen könnten“, grinst sich Felix Brummer einen, „aber da verweigern wir uns und geben definitiv nicht die Erklärbären oder liefern eine Gebrauchsanleitung mit. Da gibt es kein Richtig und kein Falsch. Jeder kann sich da in etwas reindenken, aber so, wie er das gerne sehen möchte. Ich fand es schon im Deutschunterricht so uncool, wenn da Gedichte vom Deutschlehrer seziert wurden und er mir damit mein eigenes Vorstellungsvermögen gleich mit geraubt hat.“
Ein sympathischer Zug von Kraftklub, geben sie doch dem Zuhörer Raum und Entscheidungsgewalt zurück. Vieles, zu vieles wird dem Hörer heute von den Künstlern vorgekaut serviert. Da machen die Chemnitzer nicht mit.
„Jedes Lied hat nach der Fertigstellung sein Eigenleben“, fährt er fort, „es wäre aus unserer Sicht sogar arrogant zu behaupten, bloß, weil man ein Lied geschrieben hat, hat man die Deutungshoheit.“
Jetzt es an jedem Fan selbst, zu entscheiden, ob ihn die neuen kraftvoll aufgerockten Kraftklub-Lieder berühren oder eben nicht.
„Darum geht es doch letztlich“, sagt Felix Brummer abschließend, „mehr muss ich doch über Musik und auch über den dazugehörigen Text nicht wissen.“
Aktuelles Album: In Schwarz (Vertigo/Universal Music)
Foto: Christoph voy