„Niemand kann mich stoppen!“ Richard Ashcroft will mit seinem neuen Soloalbum „United Nations Of Sound“ weit entfernte Galaxien erkunden – oder: Die Pop-Geschichte mit einer einzigen Platte verarbeiten. Zusammen mit der frisch aufgestellten Backingband The United Nations Of Sound könnte dieser perfide Plan zwei Jahre nach dem Verve-Comeback klappen. Schließlich liegt ihm die Welt nach eigenem Ermessen längst zu Füssen.
Es war kein Herzenswunsch, Richard Ashcroft sah die Rekrutierung seiner ehemaligen Band The Verve eher als Verpflichtung sich selbst gegenüber und so verpuffte das halbgare Comeback vor zwei Jahren musikalisch medienwirksam im Nirgendwo. Ihm selbst scheint dass kein Dorn im Auge – solange er der Chef im Ring ist, läuft alles nach Plan.„Jede Band braucht einen Anführer. Einen echten Frontmann, der sagt, wo es lang geht, sonst funktioniert es nicht“, lautet seine unverblümte Antwort auf die Frage, ob er eine Lehre aus der Rückkehr von The Verve gezogen hätte. „Ich wollte es noch einmal abseits meiner Solokarriere wissen und bin sehr zufrieden mit der Erkenntnis, dass es doch der Alleingang ist, der mich befriedigt.“
Während er gepflegt Kette raut und betont, wie gern er dieses Laster ablagen würde, wirkt Ashcroft in seiner Hotelsuite nahe dem Berliner Ku’damm überraschend gut aufgelegt – so, als habe es manch Eskapade in den vergangen zwei Jahren nicht gegeben, seine Anschuldigungen gegen Journalisten nicht länger Bestand und wenn hier jemand Grund zum Meckern hat, dann ganz sicher nicht er.
„Richard Ashcroft 2010?“, fragt sich der Meister schließlich selbst, „das ist ein ziemlich relaxter Typ.“
Obwohl dieser „relaxte Typ“ nicht ganz aus seiner Haut kann:
„Ok, letztens schrieb ein englischer Journalist einen Konzertverriss, nur weil ich ihn nicht Backstage gelassen habe – danach bin ich zu ihm, habe lautstark meine Meinung verkündet und gemeint, wenn er sich mit mir anlegen wolle, dann gerne sofort.“
Einem bösen Blick nicht verlegen, kehrt er im nun sein seriöses, hochprofessionelles Ich nach Außen - natürlich gehe es ihm nicht darum alte Kamellen aufzuwärmen, sondern vom neuen Soloalbum „United Nations Of Sound“ zu berichten. Welches er zusammen mit der gleichnamigen Backingband vor wenigen Monaten aufgenommen hat.
Die Sessions waren ein Traum, so Ashcroft weiter. Seine frisch rekrutierten Musiker, die eigentlich aus dem Funk- und Soul-Bereich stammen, gaben ihm viele Impulse, seien echte Teamplayer gewesen und hätten akzeptiert, dass er allein das finale Ok für einen Song gibt und niemand sonst!
„Ich wollte einen Funkadelic-Bass, Soul orientierte Arrangements, eine ganz neue Mischung eben. Dabei halfen die United Nations Of Sound und als Gegenleistung für ihre Arbeit im Studio, nahm ich den Bandnamen mit aufs Albumcover – alles andere wäre ungerecht.“
Richard Ashcroft ist glücklich und selbst wenn seine neuerliche Theorie, der Verve-Klassiker „Bitter Sweet Symphony“ sei ein HipHop-Song, etwas an den Haaren herbeigezogen wirkt: Die Gelassenheit mit der er über sich und seine Songs spricht, ist von beneidenswerter Natur – Kippe an, schlechte Laune Ade und schon scheint die Welt in Ordnung.
„Ich bin vor wenigen Wochen über alle Maßen beschenkt worden“, erklärt er etwas mysteriös und ein kurzer Blick in die englischen Klatschspalten verrät: Richard Ashcroft ist erneut Vater geworden und wenn es stimmt, was dort steht, soll es nach der kommenden Tournee weiteren Nachwuchs geben.
Bis hierher jedoch ist die Musik sein Gebot der Stunde: „United Nations Of Sound“ bietet mehr urbane Beats, weniger großmäulige Ansagen und trotzdem Zündstoff genug, um den Macher all dessen als Chef im Ring zu behaupten.
Nur die angestrebte musikalische Revolution ist ein wenig zu viel des Guten. Leider für Richard Ashcroft, es gilt nämlich weiterhin: It’s a bitter sweet symphony, that’s life!
Aktuelles Album: United Nations Of Sound (Parlaphone / EMI) VÖ 16.07.
Foto: Max Dodson