Wir schreiben das Jahr 2005. Es gibt sie wieder, die großkotzigen, selbstverliebten, drogenbenebelten Rockstars. Nicht aus Übersee, sondern in der skandinavischen Provinz: Mando Diao heißen die Vorreiter, Sugarplum Fairy ihre Gefolgschaft.
„Wir sprechen der jungen Generation direkt aus dem Gewissen!“, verkünden die Rabauken, backen inzwischen aber kleinere Brötchen: „“Auf „The Wild One“ geht es nur um Musik, nichts anderes”, erklärt Sugarplum-Sänger Victor Norén anlässlich des neuen Albums und weist die ehemalige Selbstverleibtheit weit von sich.
Seit Abba verschwanden und einzig A-ha den Status einheimischer Popmusik definierten, gehörte Schweden nur im Fußball zur europäischen Spitze:
„Als wir zur Schule gingen, wollte niemand Musiker werden. Vielleicht lag das an Borlänge, unserer Heimatstadt: Hier ist die Mentalität sehr kleinbürgerlich, große Karriere starten woanders”, erzählt Victors Bruder Carl rück-blickend. Biedermeier hin oder her, die Geschwister Norén haben trotzdem geschafft. „Scheiß auf eine Ausbildung, wir werden Rock-stars!“
Kühn, diesen Entschluss im zarten Alter von 18 Jahren zu fassen. Mutig indes nicht, denn wie es funktioniert, bekommen die beiden Jungs in der eigenen Familie präsentiert: Ihr Bruderherz Gustav erobert 2004 mit seiner Band Mando Diao die Bühnen Europas und spornt die Sippschaft an:
„Wenn du siehst wie es geht, hält dich nichts im Sessel - du schreibst deine Songs zu Ende und machst es deinem Anhang nach.“
Gutes Stichwort, denn genau hier liegt das Problem. Obwohl Sugarplum Fairy mit ihrem Debüt „Young & Armed“ aus dem Jahre 2004 nicht wirklich im Fahrwasser von Mando Diao schwimmen, wird ihnen genau das vorgeworfen. Anfänglich spielt die Band bei der ganzen PR-Kampagne wohlwollend mit, weil Victor und Carl wissen, wie hilfreich der Erfolg Mando Diaos für die eigene Karriere ist.
Doch beim Nachfolger „First Round, First Minute“ ist der Spaß vorbei: Sugarplum Fairy wollen als eigenständig und nicht als Ableger wahrgenommen werden.
„Mando Diao? Du meinst Manu Chao? Ja, die kennen wir sehr gut“, witzelt Carl heute, „da gab es jedoch nie einen Konkurrenzkampf um die Gunst des Publikums - weil Manu Chao mehr am lateinamerikanischen Markt interessiert sind und ein Adoptivbruder von uns bei denen mitspielt.“
Und so weiter. Das Thema ´Familienbande´ gehört offenkundig der Vergangenheit an.
Vielleicht ganz gut so, denn aktuell müssen sich Sugarplum Fairy mit ihrem dritten Album „The Wild One“ beweisen und setzen dabei einmal mehr auf einen aussagekräftigen Titel. War „First Round, First Minute“ noch durch Muhammad Alis legendären Knockout-Sieg gegen Sonny Liston anno 1965 beeinflusst, heißt der Ideengeber nun Marlon Brando.
Carl: „Er hatte in den frühen Fünfzigern eine Reihe guter Filme. „The Wild One“ gehört meiner Meinung nach zu seinen besten und ist mit seiner schnelllebigen Handlung als Repräsentant für unsere neuen Songs perfekt geschaffen.“
Wie aus der Hüfte geschossen wirkt das Album indes nicht. Sugarplum Fairy verbrachten ausgesprochen viel Zeit mit dem Songwriting und der anschließenden Aufnahme-Session, wie Victor berichtet:
„Es war uns wichtig, dass zwischen den drei Alben ein roter Faden besteht. (überlegt) Schau dir beispielsweise Coldplay an, plötzlich hatten sie unheimlich viel Kohle, schleppten für ihr drittes Album „X&Y“ ganze Orchester ins Studio und verloren sich selbst zwischen all dem Bombast!“
Hektisch lenkt Carl ein, gerade weil die Band vor drei Jahren zu sehr auf ´dicke Hose´ machte:
„Nicht das Chris Martin ein schlechter Songwriter wär! Es ist nur so, dem Sugarplum-Sound werden wir mit Streichern und so´n Zeug nicht gerecht - uns geht es um ehrliche Rock-musik, mit der sich Menschen in unserem Alter identifizieren können. Deswegen sind die neuen Stücke sehr roh und direkt aufgenommen. Ohne jedwede Schnörkel.“
Zwar dümpeln Sugarplum Fairy immer noch knietief im Sixties-Rock der eigenen Vorbilder, doch ihre Dosis an ausuferndem Pathos ist überschaubar, die Songs direkt auf dem Punkt und in keiner Sekunde kommt Langeweile auf. Freilich ein kurzes Vergnügen, besticht „The Wild One” jedoch durch seine Einfachheit. Wenn Indie noch irgendwo hochleben darf, dann hier!
„Konzeptalben mit großem Pomp kommen für Sugarplum Fairy nicht in Frage. Wir wissen, wo unsere Stärken liegen und ich fühle mich immer noch wie auf einen Schulausflug, wenn es an die Arbeit für ein neues Album geht“, beteuert Carl und sucht den Kontakt zu seinem Sidekick Victor: „Dem ist nichts hinzufügen“, bestätigt der ohne Umschweife.
Sollte aus den pubertierenden Teenagern mit Hang zum Größenwahn nun doch eine grundsolide Band geworden sein? Die Zukunft wird Aufschluss geben. Fest steht indes: „The Wild One“ ist das bislang reifste und kompletteste Album aus dem Hause Norén und ein schicker Soundtrack zum Erwachsenwerden.
So zart und niedlich Sugarplum Fairy lange Zeit um die Ecke lugten, lässt man sich inzwischen gerne von diesen fünf Schweden nach Hause bringen!
Aktuelles Album: The Wild One (Vertigo / Universal)
Foto: Emma Svensson