Der Besuch der alten Homepage macht es unmissverständlich klar, das Kapitel unter den Bandnamen Hoerstuatz ist für die Gebrüder Madsen und ihre Mitstreiter endgültig Geschichte, auch wenn sie aus dieser Zeit einiges mitgenommen haben. Im Schnelldurchlauf: Vertrag beim Major-Sub, eine wohlbeachtete EP, ein Album, das allerdings nie erscheint und ganz viel Stille. Nun ist es vorbei mit der Ruhe, die erste Single „Die Perfektion“ läuft rund, erste Shows waren verheissungsvoll, nun die erste Tour und dann erscheint endlich gegen Ende des Monats das selbstbetitelte Album. Aber ist jetzt wirklich alles anders? Die Stimmung zumindest ist bestens.
Etwas gerädert sehen die Jungs schon aus, als sie an einem wolkenverhangenenen Frühlingstag am Düsseldorfer Zakk ankommen, wo sie gegen Abend das Vorprogramm von ihren Labelmates Virginia Jetzt! bestreiten werden. Immerhin hat das Navigationssystem sie auch erst einmal in die gefürchteten Duisburger Wälder geschickt als auf die Fichtenstraße der Nachbarmetropole. Doch Augenringe hin oder her, was sein muss, muss eben sein. Nachdem Sebastian und Sascha Madsen direkt vom Fleck weg zum TV-Termin verschleppt werden, gesellt sich der dritte namensgebende Bruder im Bunde, Johannes, gemeinsam mit Keyboarder Folli zum Interview bei Kaffee, Frischbier und einem ungeschönten Wurf direkt in die Vollen: Hoerstuatz heisst jetzt Madsen, und sonst hat sich nix geändert? „Wir gehen mit unserer Vergangenheit nicht hausieren“, erzählt Johannes. „Natürlich machen wir kein Geheimnis daraus, denn wir waren ja unter anderem früher Hoerstuatz, aber wir binden den Leuten das nicht auf die Nase.“ „Das war ein ganz anderes Ding damals“, findet Folli, und Recht hat er. Hoerstuatz war Crossover im weitesten Sinne, Johannes damals noch an den Plattenspielern beschäftigt und es gab mehr Sprechgesang als Melodie. Eine EP erschein seinerzeit bei Plattenmeister, ein Album war fertig, aber das ist nie - wie eigentlich geplant - beim dem überstehendem Major erschienen. „Das wurde einfach nie veröffentlicht, mehr gibt es dazu nicht zu sagen. Es wurde irgendwann totgeschwiegen und wir haben den Grund nie erfahren.“ Danach hiess es für die Jungs erstmal „nie wieder Major“ und auch musikalisch vollzog sich ein Schnitt. „Der Hauptgrund war sicher, dass Sebastian, der unsere Songs schreibt und textet, merkte, dass er eigentlich mehr Sänger als Rapper war. Sicherlich war das eine schöne Zeit, aber man darf sich ja auch weiterentwickeln. Dann brachte er ein paar von den neuen Stücken mit und hat uns alle damit getroffen.“ Nunja, nicht alle, denn ein Verlust war zu verzeichnen: dem ehemaligen Gitarrist gefiel die neue Ausrichtung dann doch als einzigem nicht so gut. Und auch bis zu diesem Schnitt auf musikalischer Ebene ist einiges an Castortransporten durch ihre Heimat gefahren. „Die Nichtveröffentlichung des Hoerstuatz-Albums hat bei Sebastian doch so etwas wie eine richtige Blockade hervorgerufen, das war ein nicht zu verachtender Stressfaktor, der ein knappes Jahr andauerte. Als dann der neue Schub an Songs kam, meldete sich unser Stammproduzent Sven und wir haben gemeinsam ein paar Demos aufgenommen. Er ging dann damit hausieren und stellte die neuen Kontakte her.“ Und dass man letztendlich wieder beim Major landete, tat aufgrund des verständnisvollen Empfangs dann auch garnicht mehr weh. Daraufhin folgte nur noch eine Änderung, weil das Krankheitsbild im Namen nicht mehr so recht zu den neuen Songs passen wollte, und der Schnitt war perfekt. Nun also Madsen. Eine funktionierende Band, weil sie gerade in unsere Zeit passt? Für Folli stellt sich diese Frage nicht: „Eigentlich distanzieren wir uns von diesem Trendkram und verschwenden auch nicht so viele Gedanken daran. Uns macht es Spaß, diese Songs jeden Abend zu spielen und wir hören uns sie auch zu Hause immer noch gerne an. Wenn sie zufällig den Leuten auch noch gefallen, ist das einfach wunderbar.“ Und für manchen ist der Unterschied zu früher auch garnicht so groß, wie Johannes richtig erkennt: „Der HipHop-Einfluss ist gewichen und es ist melodiöser geworden, aber das passierte nicht durch äussere Einflüsse, sondern aus uns heraus. Das sind immer noch wir bzw. das sind wir jetzt.“ Eben. So ist zum Beispiel ein Element geblieben, das auch die beiden nicht müde werden zu betonen: die gewisse Rauheit, die sie auch gerne immer mit einfangen. So untermalt das Video zu „Die Perfektion“ nicht etwa die Studioversion dieses Songs, sondern das Proberaum-Demo, weil es eben noch einen Tick schmutziger ist. Wann werden Madsen denn so richtig ungemütlich? „Das wollen wir garnicht. Wenn wir uns den Ruf als sympathische Biertrinkerband, die halt trotzdem anspruchsvolle und ernstzunehmende Musik macht, halten können, dann haben wir‘s geschafft!“ Und bislang liefen die ersten Touraktivitäten sehr gut an, Nervosität ist, wo doch bei den großen Festivals mitunter gute Slots anstehen, sicher vorhanden, aber es überwiegt die Freude. „Als ich unser Video zum ersten mal im Fernsehen gesehen habe, wurde ein Kindheitstraum wahr“, gesteht Johannes. „Und es war ein gutes Gefühl, auch vor Publikum bestehen zu können, das nicht wegen uns zu den Shows gekommen ist, da fühlt man sich schon bestätigt.“ Das Verständnis ist also da. „Wir sind einfach, wie wir sind und machen das, worauf wir Bock haben. Nichts anderes.“, meint Johannes. Und Folli fügt sofort hinzu: „Wir sind eben kein gecasteter Haufen, kein Kunstprodukt und müssen nichts abliefern, was wir nicht sind und wollen. Und man mag uns bislang so, wie wir sind, das ist sicher ein Vorteil. Es kommt jetzt eine Menge auf uns zu und es ist schön, dass dies eine konstante 7%-Steigung ist und wir nicht den ganzen Berg auf einmal nehmen müssen. Sicher wird nach dem Sommer resümiert, aber in der ganzen Zeit bis dahin können wir nur lernen.“ Und das tun sie natürlich dort, wo man es als junge Band am besten kann - auf der Straße. Und eigentlich kommt man in diesem Sommer nicht an Madsen vorbei, denn so griffig ist momentan wohl keine Band aus deutschen Landen. Bis zur Albumveröffentlichung Ende des Monats muss man sich zwar noch mit der Single begnügen, aber spätestens bei einem der zahlreichen Auftritte wird sicher klar, dass es sich hierbei um ein Juwel handelt, dass man einfach ungeschliffen nehmen muss. Und - und das ist dann wohl der kleine, aber feine Unterschied - man kann das wirklich guten Gewissens einfach so tun.Aktuelles Album: Madsen (Universal) - VÖ: 30.5.