In ihrer Bio wird die heute 22-jährige Jana Bahrich als „lauteste Stimme eines ansonsten eher ruhigen Landes“ angepriesen. Das kommt daher, dass die in Kanada geborene und aufgewachsene Songwriterin zusammen mit ihrem mindestens eine Genration älteren Kollegen, dem Drummer Chris Hewett das Bandprojekt Francis Of Delirium ausgerechnet in Luxemburg – wo sie seit ihrer Kindheit lebte – gründete. Und Francis Of Delirium waren bis dato als abrasive – aber vor allen Dingen laute – Postpunk-Rockband bekannt. Zumindest galt das für die 3 selbst produzierten EPs „All Change“, „Wading“ und „The Funhouse“ - auf denen Jana als Songwriterin so ziemlich all ihre negativen Energien mit einer gehörigen Portion Wut im Bauch in klassischen, schmirgelnden Grunge-Rock-Songs zum Ausdruck brachte. Und das galt auch für die mitreißend druckvollen Live-Shows, mit denen sich Francis Of Delirium – zunächst mal als Support-Acts für etwa Soccer Mommy, Horsegirl, The Districts oder Wolf Alice auch in unseren Breiten als Next Big Thing in Sachen Indie-Rock empfahlen. Freilich: Mit einigen vorab veröffentlichten Singles wie „First Touch“ oder „Real Love“ deutete sich mit Bezug auf die nun vorliegende LP „Lighthouse“ bereits ein deutlicher Stimmungs- und Stilwandel an. Nicht nur, dass diese Songs musikalisch versöhnlicher und weniger schroff angelegt waren als das bisherige Material – auch die Themenwelt scheint sich geändert zu haben, denn es geht nun nicht mehr um Teenage Angst Manifeste, sondern um – nun ja – Liebeslieder.
Es ist ja tatsächlich so, dass Jana nun eine ganze LP über die verschiedenen Aspekte der „Liebe“ geschrieben hat, richtig?„Ja“, bestätigt sie, „das hat mit meiner persönlichen Entwicklung zu tun. Als wir von einer Tour mit den Districts in den USA zurückkamen, habe ich mich verliebt – und das hat dann alles geändert. Ich bin auch heute noch ein großer Fan der Liebe. Der letzte Song auf dem Album – 'Give It Back To Me' - handelt zum Beispiel von allen Formen der Liebe, auch zwischen Familie und Freunden und natürlich romantischen Partnern."
Wie kam es denn zu diesem Sinneswandel?
„Tja - wie ist das passiert?“ fragt sich Jana selbst, „das ist eine gute Frage. Lass mich mal nachdenken – denn das ist schon eine Weile her. Unsere EP 'Funhouse' war deswegen eine so düstere Angelegenheit, weil ich mich einsam und isoliert fühlte, als ich diese EP schrieb. Nachdem diese EP veröffentlicht war, gingen wir in den USA mit The Districts auf Tour. Das fühlte sich dann an, als ob sich die Welt für mich öffnete. Ich verliebte mich zu dieser Zeit und ich denke, dass all das zusammen zu einem offeneren, reichhaltigeren Sound bei uns führte. Es fühlte sich dann ganz natürlich an, auch unsere Instrumentierung zu erweitern."
Wie fing das denn an mit der Musik für Jana Bahrich? Gab es da einen Masterplan? „Nein nicht wirklich“, räumt sie ein, „ich bin aber mit der Musik aufgewachsen und habe mit 5 angefangen Geige zu spielen. Ich bin in der Schule einem Rock-Programm teilgenommen und einer meiner Lehrer hat dann vorschlagen, dass ich es mal versuchen solle – weil ich ursprünglich an die Uni wollte. Da ich sowieso nicht wusste, was ich studieren wollte, dachte ich mir, dass ich der Sache eine Chance geben sollte – und nun bin ich schon vier Jahre dabei."
Und kommen wir mal zu dem Projektnamen Francis Of Delirium – das ist alles ganz anders, als man annehmen könnte, oder? Denn es geht gar nicht um den Heiligen Franziskus.
„Nein – es ist viel banaler als das“, gesteht Jana, „auf den Namen bin ich gekommen, als ich 17 war. Wie viel Bedeutung kann es für einen Bandnamen geben? Es gab da diese Frauen im Altenheim meiner Großeltern und die hieß Francis. Die hat uns immer angekeift und beleidigt, als wir jünger waren. Das war es dann. Und noch etwas: Wenn wir live spielen, dann gerate ich immer in diese Zone des Loslassens – so als wäre ich gar nicht mehr da. Das ist dann eine Art Delirium. Wenn überhaupt, dann gibt es also nur in meinem Unterbewusstsein eine Verbindung zum heiligen Franziskus."
Geht es Jana beim Song-Schreiben vielleicht auch ein wenig um Autotherapie? Oder war das eher bei den EPs der Fall?
„Ja, eher letzteres“, führt Jana aus, „nun ging es mir einfach darum, das Gefühl zu genießen und wertzuschätzen, dass ich nun in der Lage bin, meinen Gefühlen auch auf positive Art Ausdruck verleihen zu können. Ich dachte also, dass das eine wundervolle Sache sei, mich so äußern und mich so ermächtigen zu können. Die EPs drücken eher aus, was ich meine, wenn ich etwas sage – und das war es nun, zu dem ich mich ermutigen wollte: Herauszugehen und zu sagen: 'Ja – ich liebe Dich', ohne das erklären zu müssen. Viele Menschen haben ja Schwierigkeiten, so etwas zu sagen und nachdem ich all diese düsteren EPs über Angst und Wut geschrieben habe, war es mir wichtig nun auszusprechen, was ich meine. Deswegen habe ich das Album auch 'Lighthouse' genannt."
Wonach suchen Jana und Chris, wenn sie Songs schreiben?
„Ich will nicht für Chris sprechen – aber ich denke, er versucht immer ein Drum-Pattern zu finden, dass sich anfühlt, als habe er es vorher noch nicht gespielt“, führt Jana aus, „ich suche dann immer nach diesen 'Wow'-Momenten, wo ich spüren kann, dass wir wirklich auf der gleichen Seite sind bei dem, was wir da schreiben. Und dann ist das wie mit den Texten – da gibt es irgend etwas, was uns den Weg weist. Als wir zum Beispiel an der 'Funhouse'-EP arbeiteten, dachte wir eigentlich, dass wir ein Album machen würden. Aber die Songs und die Stimmung ließ uns erkennen, dass es nur um diese vier Songs gehen sollte. Es fühlt sich dann an, als würde irgend etwas aus meinem Inneren mich leiten."
Was ist denn dabei dann das Wichtigste?
„Ich denke, dass ich den Song visualisieren kann“, erklärt Jana, „das ist schwierig zu beschreiben – aber wenn ich den Song sehen kann, dann sind wir auf dem richtigen Weg. Ich meine das gar nicht mal cinematisch, sondern indem ich irgend etwas visuelles mit dem Song verbinden kann – wie zum Beispiel ein Gemälde, eine Zeichnung oder ein Standbild aus einem Film. Irgend etwas bei dem ich fühlen kann, dass der Song eine eigene Identität hat."
Das schlägt sich dann auch in den Videos nieder, die – wie 'First Love' – als kleine Spielfilme daher kommen.
„Ja, gewiss – das habe ich mir mit dem Regisseur ausgedacht“, bestätigt Jana, „aber wie gesagt geht es gar nicht um Musikvideos, denn alle Visuals können da herhalten."
Wovon lassen sich denn Jana und Chris musikalisch inspirieren? Orientieren sie sich an Vorbildern – oder inspirieren sie sich eher gegenseitig?
„Ich denke, die Sache mit den Inspirationen ist weniger eine bewusste Sache“, meint Jana, „ich will jedenfalls nicht bewusst jemand anderen imitieren. Wir haben zum Beispiel mal mit der akustischen Gitarre gearbeitet und die Sache klang dann eher optimistisch und das hat mich dann an einen Song von Sheryl Crow erinnert. Auch mit einer Band wie The Districts auf Tour zu gehen, hat uns inspiriert. Ich habe sie mir ja jeden Abend angeschaut und ich fühlte, dass es da eine Offenheit in deren Musik gegeben hat, die am Ende der Tour auf mich abgefärbt hat. Für mich liegt auch eine gewisse Hoffnung in der Musik der Districts. Auch durch die USA zu reisen und zu sehen, wie weit und offen da alles ist, hat sich ausgewirkt. Das kam alles zusammen."
Aktuelles Album: Lighthouse (Dalliance Recs.) VÖ: 22.03.
Weitere Infos: https://www.francisofdelirium.com/ Foto: Holly Whitaker